Augsburger Allgemeine (Land West)
Kühler Kopf und ruhiges Händchen
Darts Mit Begeisterung haben Augsburger Spieler die WM in London verfolgt. Warum sie weniger rechnen müssen als die Superstars und in ihrem Sport Potenzial für die Jugend sehen
An sein tollstes Triple 20 kann sich Arno Bandorf ganz genau erinnern: 2015 in Las Vegas beim Weltcup im Hotel Cesars Palace hat der Dartspieler der Augsburger Mannschaft Dream Team Revolution die berühmte Höchstpunktzahl von 180 auf die Scheibe geworfen. Alle drei Pfeile hatte Bandorf damals mustergültig ins nur acht Millimeter breite Feld der Dreifach-20 gesetzt. Eine Meisterleistung, über die er sich bis heute freut.
So genau dürfte sich der neue Darts-Weltmeister Michael van Gerwen nicht an jeden seiner 180er erinnern. Auf eine Rekordzahl von insgesamt 42 solcher Ausnahmewürfe kamen er und sein Konkurrent Gary Anderson allein im WMFinale am Montagabend im berühmten Hotel Alexandra Palace („Ally Pally“) in London (siehe Sport Seite 21 und Seite 2).
Eine Riesenshow mit beeindruckend starken Spielern und schrägen Fans – die auch viele Amateurspieler wie Arno Bandorf und Florian Kögl begeistert am FernsehBildschirm verfolgten. Die beiden sind die Vorsitzenden der Augsburger Dartliga, die den Spielbetrieb von 40 Mannschaften aus der Region regelt. „Eine Hobbyliga“, betont Bandorf, auch wenn sich daraus bereits einige Teams für Europa- und Weltcups qualifiziert haben.
Die meisten von ihnen spielen am elektronischen E-Dart-Automaten statt an der Sisalscheibe, auf die bei der WM in London gezielt wurde. Für die Spieler hat das E-Dart den Vorteil, dass alle Ergebnisse automatisch gerechnet und angezeigt werden. „Wenn man Steel-Dart auf die Sisalscheibe spielt, muss man normalerweise selbst rechnen und selbst mitschreiben“, erklärt Arno Bandorf und Florian Kögl ergänzt lachend, „aufgrund von Faulheit sind die Automaten deshalb weitverbreitet. Nicht alle guten Dartspieler können auch gut rechnen.“
Während Profi-Spieler wie van Gerwen oder Anderson immer einen eigenen Zählrichter an der Scheibe stehen haben und natürlich auch selbst genau wissen, wie sie präzise von 501 auf 0 herunterpunkten, erhalten Amateurspieler per Automat die passenden Vorschläge für ihre Würfe. „Mit neun Pfeilen, einem 9-Darter, kann ein Spiel schnellstmöglich beendet werden. Doch allein dafür gibt es 73 verschiedene Möglichkeiten“, beschreibt Florian Kögl die zahlreichen Rechenwege.
Für ihn ein Grund, dass sich Darts durchaus auch als Schulsport eignen würde. „Es erfordert volle Konzentration und gute Rechenkünste“, zählt er die Vorteile auf. Bandorf weiß aber auch um die Nachteile. „Darts ist und bleibt ein Kneipensport. Überall dort, wo Dart-Automaten platziert sind, stehen meist auch Spielautomaten. So ist es schwer, einen geeigneten Ort für das Training von Jugendlichen zu finden.“Auch die meisten Dart-Automaten kosten Geld, weshalb sich die Augsburger Darts-Szene eher aus Spielern zusammensetzt, die die 30 Jahre bereits überschritten haben.
Verstärkten Zulauf durch die WM erwarten die Augsburger allerdings nicht – trotz des Darts-Hypes, der während der vergangenen Wochen aus London herübergeschwappt ist und dem Sender Sport1 eine überraschend hohe Zuschauerquote gebracht hat. In der Region stellen die Darts-Freunde allerdings schon länger einen Rückgang der Begeisterung fest. „Vor einigen Jahren hatten wir noch 76 Mannschaften in unserer Liga. Doch viele Kneipen haben zugemacht, dadurch haben wir einige Teams verloren.“
Sportliches Ziel aller Teams sei die Qualifikation für die Deutsche Meisterschaft in Geiselwind. Der Saisonhöhepunkt der Darter aller Ligen. Wenn Bandorf von der jährlichen Veranstaltung und von der Megahalle erzählt, in der 3000 bis 4000 Spieler an 300 Automaten um die Titel spielen, gerät er ins Schwärmen. Denn dort seien immer auch die besten deutschen Spieler anzutreffen, wie etwa Max Hopp, der bei der WM in London in der zweiten Runde ausgeschieden ist. „Das sind ganz normale bodenständige Leute“, sagt Bandorf. Wie etwa auch der Schotte Peter Wright, einer der schillernsten Figuren der internationalen Darts-Szene. Der Mann mit dem Spitznamen „Snakebite“, der auf seiner Glatze eine tätowierte Schlange und einen bunten Irokesenschnitt trägt, scheiterte erst im Halbfinale. „Der lebt mit seiner Familie und neun Hühnern auf einem Bauernhof und ist sonst ganz unscheinbar“, erzählt Bandorf.
Woher er das weiß? Von den TVÜbertragungen natürlich. Schließlich hat er in seinem Weihnachtsurlaub jede freie Minute die DartsWM geschaut. Irgendwann möchte er selbst einmal unter diesen einmaligen Zuschauern sein – und die vielen 180er der Superstars bejubeln.