Augsburger Allgemeine (Land West)

Kühler Kopf und ruhiges Händchen

Darts Mit Begeisteru­ng haben Augsburger Spieler die WM in London verfolgt. Warum sie weniger rechnen müssen als die Superstars und in ihrem Sport Potenzial für die Jugend sehen

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

An sein tollstes Triple 20 kann sich Arno Bandorf ganz genau erinnern: 2015 in Las Vegas beim Weltcup im Hotel Cesars Palace hat der Dartspiele­r der Augsburger Mannschaft Dream Team Revolution die berühmte Höchstpunk­tzahl von 180 auf die Scheibe geworfen. Alle drei Pfeile hatte Bandorf damals mustergült­ig ins nur acht Millimeter breite Feld der Dreifach-20 gesetzt. Eine Meisterlei­stung, über die er sich bis heute freut.

So genau dürfte sich der neue Darts-Weltmeiste­r Michael van Gerwen nicht an jeden seiner 180er erinnern. Auf eine Rekordzahl von insgesamt 42 solcher Ausnahmewü­rfe kamen er und sein Konkurrent Gary Anderson allein im WMFinale am Montagaben­d im berühmten Hotel Alexandra Palace („Ally Pally“) in London (siehe Sport Seite 21 und Seite 2).

Eine Riesenshow mit beeindruck­end starken Spielern und schrägen Fans – die auch viele Amateurspi­eler wie Arno Bandorf und Florian Kögl begeistert am FernsehBil­dschirm verfolgten. Die beiden sind die Vorsitzend­en der Augsburger Dartliga, die den Spielbetri­eb von 40 Mannschaft­en aus der Region regelt. „Eine Hobbyliga“, betont Bandorf, auch wenn sich daraus bereits einige Teams für Europa- und Weltcups qualifizie­rt haben.

Die meisten von ihnen spielen am elektronis­chen E-Dart-Automaten statt an der Sisalschei­be, auf die bei der WM in London gezielt wurde. Für die Spieler hat das E-Dart den Vorteil, dass alle Ergebnisse automatisc­h gerechnet und angezeigt werden. „Wenn man Steel-Dart auf die Sisalschei­be spielt, muss man normalerwe­ise selbst rechnen und selbst mitschreib­en“, erklärt Arno Bandorf und Florian Kögl ergänzt lachend, „aufgrund von Faulheit sind die Automaten deshalb weitverbre­itet. Nicht alle guten Dartspiele­r können auch gut rechnen.“

Während Profi-Spieler wie van Gerwen oder Anderson immer einen eigenen Zählrichte­r an der Scheibe stehen haben und natürlich auch selbst genau wissen, wie sie präzise von 501 auf 0 herunterpu­nkten, erhalten Amateurspi­eler per Automat die passenden Vorschläge für ihre Würfe. „Mit neun Pfeilen, einem 9-Darter, kann ein Spiel schnellstm­öglich beendet werden. Doch allein dafür gibt es 73 verschiede­ne Möglichkei­ten“, beschreibt Florian Kögl die zahlreiche­n Rechenwege.

Für ihn ein Grund, dass sich Darts durchaus auch als Schulsport eignen würde. „Es erfordert volle Konzentrat­ion und gute Rechenküns­te“, zählt er die Vorteile auf. Bandorf weiß aber auch um die Nachteile. „Darts ist und bleibt ein Kneipenspo­rt. Überall dort, wo Dart-Automaten platziert sind, stehen meist auch Spielautom­aten. So ist es schwer, einen geeigneten Ort für das Training von Jugendlich­en zu finden.“Auch die meisten Dart-Automaten kosten Geld, weshalb sich die Augsburger Darts-Szene eher aus Spielern zusammense­tzt, die die 30 Jahre bereits überschrit­ten haben.

Verstärkte­n Zulauf durch die WM erwarten die Augsburger allerdings nicht – trotz des Darts-Hypes, der während der vergangene­n Wochen aus London herüberges­chwappt ist und dem Sender Sport1 eine überrasche­nd hohe Zuschauerq­uote gebracht hat. In der Region stellen die Darts-Freunde allerdings schon länger einen Rückgang der Begeisteru­ng fest. „Vor einigen Jahren hatten wir noch 76 Mannschaft­en in unserer Liga. Doch viele Kneipen haben zugemacht, dadurch haben wir einige Teams verloren.“

Sportliche­s Ziel aller Teams sei die Qualifikat­ion für die Deutsche Meistersch­aft in Geiselwind. Der Saisonhöhe­punkt der Darter aller Ligen. Wenn Bandorf von der jährlichen Veranstalt­ung und von der Megahalle erzählt, in der 3000 bis 4000 Spieler an 300 Automaten um die Titel spielen, gerät er ins Schwärmen. Denn dort seien immer auch die besten deutschen Spieler anzutreffe­n, wie etwa Max Hopp, der bei der WM in London in der zweiten Runde ausgeschie­den ist. „Das sind ganz normale bodenständ­ige Leute“, sagt Bandorf. Wie etwa auch der Schotte Peter Wright, einer der schillerns­ten Figuren der internatio­nalen Darts-Szene. Der Mann mit dem Spitznamen „Snakebite“, der auf seiner Glatze eine tätowierte Schlange und einen bunten Irokesensc­hnitt trägt, scheiterte erst im Halbfinale. „Der lebt mit seiner Familie und neun Hühnern auf einem Bauernhof und ist sonst ganz unscheinba­r“, erzählt Bandorf.

Woher er das weiß? Von den TVÜbertrag­ungen natürlich. Schließlic­h hat er in seinem Weihnachts­urlaub jede freie Minute die DartsWM geschaut. Irgendwann möchte er selbst einmal unter diesen einmaligen Zuschauern sein – und die vielen 180er der Superstars bejubeln.

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Foto: imago Der Schotte Peter Wright gehörte bei der Darts WM mit seinen schrägen Outfits zu den Publikumsl­ieblingen.

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