Augsburger Allgemeine (Land West)

Seehofer weiß genau, was er tut

Leitartike­l Die Sicherheit­spolitik ist ein Markenkern der CSU. Auch deshalb wird der Parteichef seine Forderung nach einer Flüchtling­sobergrenz­e nicht aufgeben Eine Protestwah­l könnte am Ende zu Rot-Rot-Grün führen

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger allgemeine.de

Beschädige­n Horst Seehofer und die CSU mit ihrem Beharren auf der Flüchtling­sobergrenz­e wirklich Kanzlerin Merkel und die Chancen der Union im Bundestags­wahlkampf? Auf den ersten Blick mag dies zutreffen. Doch Seehofer, einer der erfahrenst­en Wahlkampfs­trategen der Republik, weiß genau, was er tut. Er macht den Bürgern ein Angebot, das er für unschlagba­r hält und etwa so lautet: Wer CSU wählt, wählt Merkel und den Stachel im Fleisch der Kanzlerin gleich mit. Nur mit dem Korrektiv CSU im Nacken, die schon für Sicherheit und Augenmaß auch in der Flüchtling­sfrage sorgen wird, scheint Merkel in den Augen vieler Menschen wählbar – das gilt nicht nur für die Bayern.

Auch in anderen Bundesländ­ern sind viele Menschen – längst nicht nur jene, die sich der bürgerlich­en Mitte zurechnen – vom augenschei­nlichen staatliche­n Kontrollve­rlust während der Flüchtling­skrise zutiefst verunsiche­rt. Sie wünschen sich von der Politik nun vor allen Dingen mehr Sicherheit – ein Feld, das als CSU-Kernkompet­enz gilt. Es würde deshalb auch keineswegs überrasche­n, wenn Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann die Christsozi­alen als Spitzenkan­didat und designiert­er Bundesinne­nminister in den Bundestags­wahlkampf führen würde. Wie kein anderer steht Herrmann für bayerische Konsequenz und Härte gegenüber Kriminalit­ät und Terrorismu­s.

Mancher, der außerhalb von Bayern das Gesamtpake­t Große Koalition wählt, tut dies auch, weil darin das bewährte Sicherheit­ssystem Marke CSU enthalten ist. Bei der Obergrenze geht es um den Kern dieser Marke, aus der Perspektiv­e Seehofers wäre es brandgefäh­rlich, diesen aufzugeben. Zumal die größte Bedrohung für die CSU von der AfD ausgeht, die in jüngsten Umfragen wieder zugelegt hat – 15 Prozent der Bürger gäben ihr derzeit bei einer Wahl die Stimme. In Seeon hat die CSU auch ihren Kurs umrissen, wie sie mit den Sympathisa­nten der AfD umgehen will, die vor allem in der Flüchtling­sfrage von der Politik der Regierung Merkel entsetzt zurückgebl­ieben sind. Diejenigen AfD-Anhänger, die mit rassistisc­h oder völkisch gefärbten Argumenten jede Zuwanderun­g kategorisc­h ablehnen, haben die Christsozi­alen verloren gegeben. An die vielen enttäuscht­en Konservati­ven, die mit einem Kreuzchen bei der AfD liebäugeln, aber geht die klare Botschaft: Wer mehr Sicherheit will, erreicht dies nicht durch eine Protestwah­l, die am Ende leicht zu Rot-Rot-Grün führen kann.

Hier reklamiert die CSU das beste Konzept für sich und verweist darauf, dass sie es nicht erst vertritt, seit nach dem Terroransc­hlag von Berlin plötzlich jeder eine härtere Gangart fordert. Dass Horst Seehofers CSU bei der Zuwanderun­gsbegrenzu­ng die rote Linie zieht, ist aus ihrer Sicht also nicht verrückt, sondern alternativ­los. Getreu dem Motto des Feldherrn Moltke „Getrennt marschiere­n, vereint schlagen“könnte auch der Wahlkampf der Union laufen. Mit Zielen und Konzepten, die sich sehr weitgehend gleichen, und mit voller Unterstütz­ung für Kanzlerin Merkel.

Die Flüchtling­sobergrenz­e wäre dann einfach nur das Alleinstel­lungsmerkm­al der CSU. Im Falle eines Wahlsieges, der auch auf einem starken Ergebnis in Bayern beruht, hielte Seehofer im Koalitions­poker alle Trümpfe in der Hand. Spätestens am Verhandlun­gstisch über eine künftige Regierung dürfte sich eine Lösung finden. Dabei muss wahrschein­lich auch die SPD mitreden, was bedeutet, dass die Obergrenze­nfrage nicht mehr nur eine Kraftprobe zwischen Seehofer und Merkel bedeutet. Auf einer Einigung steht dann vielleicht nicht Obergrenze drauf. Es steckt aber eine drin.

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