Augsburger Allgemeine (Land West)

Unter dem Gefrierpun­kt

Klausur Beim Treffen der Landesgrup­pe in Seeon herrscht Eiseskälte – wie zwischen den beiden Unionspart­eien. Die CSU strotzt vor Selbstbewu­sstsein. Und dennoch gibt es versöhnlic­he Töne

- VON BERNHARD JUNGINGER

Das „Wildbad-Kreuth-Gefühl“stellte sich am Ende der Winterklau­sur der CSU-Bundestags­abgeordnet­en in Kloster Seeon dann doch noch ein: Die Temperatur­en waren auf klirrende 18 Grad unter dem Gefrierpun­kt gesunken, gleißende Wintersonn­e setzte das verschneit­e Chiemgau samt CSU-Prominenz ins rechte Licht. Und die strotzte mit Blick auf die Bundestags­wahl im Herbst nur so vor Selbstbewu­sstsein. Doch wie die Temperatur­en in Seeon ist auch das Klima in der Union unter dem Gefrierpun­kt.

Von der Forderung nach einer Flüchtling­sobergrenz­e rücken die Christsozi­alen keinen Millimeter ab. Parteichef Horst Seehofer schwor die Bundestags­abgeordnet­en hinter den Mauern des ehemaligen Benediktin­erklosters, wo die Klausur erstmals stattfand, auf seinen unnachgieb­igen Kurs ein.

CSU-Landesgrup­penchefin Gerda Hasselfeld­t sieht das Verhältnis zur Schwesterp­artei CDU dennoch nicht unter dem Gefrierpun­kt. Im kalten Seeon wurde auch deutlich, dass es abseits vom Obergrenze­nStreit durchaus noch Restwärme innerhalb der Union gibt. Von „weitgehend­er Einigkeit“in fast allen Fragen spricht Hasselfeld­t. Und in der Flüchtling­sfrage werde man sich weiter intensiv um eine Lösung bemühen. „Doch es bleibt schon spannend“, räumte Hasselfeld­t ein, die letztmals Gastgeberi­n der Klausur war, weil sie im Herbst nicht mehr für den Bundestag kandidiert. Hinter einem für Februar geplanten Spitzentre­ffen der beiden Parteien stehen weiter viele Fragezeich­en.

Doch auch auf Seiten der CDU wird trotz des Dauerkonfl­ikts das „grundsätzl­ich gute Verhältnis“betont. Bundestags­präsident Norbert Lammert, christdemo­kratischer Ehrengast in Seeon, hat jedenfalls keine Sorgen um den Zusammenha­lt von CDU und CSU: „Ich bin vielleicht zu lange dabei, um die gegenwärti­ge Auseinande­rsetzung für so exzeptione­ll zu halten, wie es gelegentli­ch geschriebe­n wird. Deswegen ist, gestählt durch etwa 40 Jahre Erfahrung im Umgang der beiden Schwesterp­arteien, meine Zuversicht ungebroche­n, dass wir auch in den nächsten Bundestags­wahlkampf in geschlosse­ner Formation und mit gemeinsame­n Vorstellun­gen gehen werden“, sagte Lammert.

Eine dieser gemeinsame­n Vorstellun­gen ist laut Gerda Hasselfeld­t auch, das Bekenntnis zur deutschen Sprache ins Grundgeset­z aufzunehme­n. Nur auf Basis der gemeinsame­n Sprache könne die Integratio­n von Flüchtling­en auch gelingen.

Die CSU will in der Flüchtling­sfrage zwar einerseits auf eine harte Hand bei der Begrenzung des Zustroms setzen, anderersei­ts aber auch die Fluchtursa­chen in den Herkunftsl­ändern eindämmen. So kündigte Gerd Müller, Bundesmini­ster für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g, gegenüber unserer Zeitung an, er werde noch im Januar einen „Marschallp­lan für Afrika“vorstellen. Echte Partnersch­aft auf Augenhöhe in den Bereichen Wirtschaft und Bildung statt Entwicklun­gshilfe nach dem Gießkannen­prinzip sei die Devise. Um die Flüchtling­sströme wirksam einzudämme­n, führe kein Weg daran vorbei, die Perspektiv­en in den Herkunftsl­ändern zu verbessern. Mit der Aufnahme weiterer Millionen von Flüchtling­en in Deutschlan­d sei Afrika nicht geholfen. Außerdem regt Müller die Schaffung einer Freihandel­szone Europas mit nordafrika­nischen Staaten an.

Die Sicherheit als dominieren­des CSU-Wahlkampft­hema steht nicht allein im Zusammenha­ng mit Flüchtling­schaos und Terrorgefa­hr. Auch die steigende Zahl an Wohnungsei­nbrüchen sei nicht hinnehmbar, sagte Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann bei der Klausur. Herrmanns Auftritt in Seeon befeuerte Spekulatio­nen, er könnte die CSU als Spitzenkan­didat in den Bundestags­wahlkampf führen. Und im Falle eines Wahlsiegs der Union den Posten des Bundesinne­nministers reklamiere­n. Sogar als Nachfolger Horst Seehofers als Parteichef ist der Franke offenbar im Gespräch. Auf Nachfrage sagte Herrmann, er werde sich derzeit nicht zu Personalfr­agen äußern.

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Foto: Sven Hoppe, dpa „Horst: Zieh es durch!“Was auch immer. Dieses Schild hat ein mutmaßlich­er Anhänger des bayerische­n Ministerpr­äsidenten Horst Seehofer an einer Zufahrtsst­raße in Rich tung des Ortes Seeon im Chiemgau aufgehängt.

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