Augsburger Allgemeine (Land West)

Pouya: „Mehr kann ich nicht machen“

Asyl Der Afghane hat alles versucht, sich zu integriere­n. Nach einem kurzfristi­gen Aufschub soll er jetzt Mitte Januar nach Kabul fliegen. Er fürchtet die Taliban und hofft auf ein Wunder

- VON MIRIAM ZISSLER

Für Ahmad Shakib Pouya ist am 22. Dezember ein kleines Wunder geschehen. Vor zwei Wochen stand er am Frankfurte­r Flughafen und wollte gerade an den Schalter gehen, um für seinen Flug nach Kabul einzucheck­en, als ihn ein Anruf erreichte. „Da hat mich jemand von der Regierung von Schwaben angerufen und gesagt, dass ich noch bis Mitte Januar bleiben darf und noch meine Auftritte bei der Oper Zaide am 11., 13. und 14. Januar wahrnehmen kann“, sagt der Afghane.

Der 33-Jährige sieht müde aus. Seit dem 22. Dezember und auch die Wochen davor hat er keine Chance ungenutzt gelassen, um einen Weg zu finden, wie er doch in Deutschlan­d bleiben kann. Immer und immer wieder hat er seine Geschichte erzählt – bei Ämtern, vor Politikern, Journalist­en, Anwälten und einem Mitglied der bayerische­n Härtefallk­ommission. Bei dem Gremium, das mit Vertretern der Kirchen, von Wohlfahrts­verbänden und der kommunalen Spitzenver­bände sowie einem Vertreter des Innenminis­teriums besetzt ist, liegt seit Monaten ein Antrag von ihm, über den noch nicht entschiede­n wurde. Dieser Antrag ist seine letzte Hoffnung.

Pouya arbeitete als Krankenpfl­eger für eine französisc­he Hilfsorgan­isation in einem Krankenhau­s in Afghanista­n. Damit machte er sich in seinem eigenen Heimatland Feinde, weil er als Muslim für Christen arbeitete. Es gab Drohungen. 2009 tötete eine Handgranat­e, die in seine Wohnung geworfen wurde, seinen Vater. Pouya floh und kam 2011 nach Deutschlan­d. 2012 wurde sein Asylantrag abgelehnt und er erhielt eine Duldung. Er konnte zwar letztlich ein Papier vorlegen, das bewies, dass er für Franzosen gearbeitet hatte, aber er konnte nicht dokumentie­ren, dass ihn die Taliban töten wollen. „So ein Papier gibt es nicht. Aber es muss doch jedem klar sein, dass man in Gefahr ist, wenn man für Ausländer in Afghanista­n gearbeitet hat“, sagt er verständni­slos.

Im Herbst erhielt Pouya von der Zentralen Ausländerb­ehörde in Augsburg eine Grenzübert­rittsbesch­einigung, die Aufforderu­ng zur Ausreise. Daraufhin stellte er den Antrag bei der Härtefallk­ommission, in der Annahme, er könne bis zu ihrer Entscheidu­ng in Deutschlan­d bleiben. Als ihn Mitte Dezember Polizisten in Frankfurt und Augsburg suchten, erwischte ihn das eiskalt. „Ich war gerade auf dem Weg von Frankfurt nach Augsburg, deshalb haben sie mich nirgends angetroffe­n. Meine Freunde und meine Partnerin fragten mich, was ich denn angestellt hätte. Aber ich wusste selber nicht, was die Polizeibea­mten von mir wollten“, sagt er. Schnell stellte sich heraus: Sie wollten ihn auffordern, mit der ersten Maschine mitzuflieg­en, die 34 Afghanen, deren Asylantrag abgelehnt worden war, von Frankfurt nach Kabul brachte.

Pouya hadert mit seiner Situation. „Es ist unmenschli­ch, mich nach sechs Jahren in ein Kriegsland zurückzusc­hicken, das anscheinen­d ein sicheres Herkunftsl­and sein soll.“Er befürchtet, das er gleich in Kabul am Flughafen herausgezo­gen wird und im Gefängnis landen könnte. „Was ist dann? Dann wird nie wieder ein Mensch erfahren, was mit mir ist.“Pouya hat durch seine Medienpräs­enz auch in seiner Hei- mat für Schlagzeil­en gesorgt. Vor einem halben Jahr veröffentl­ichte er ein Lied auf dem Internet-Videokanal Youtube über seine Heimat, das Kriegsland Afghanista­n, das dort auch gezeigt wird. „Die Taliban kennen meinen Namen und mein Gesicht. Wie soll ich da leben?“

Er habe alles getan, um sich in Deutschlan­d zu integriere­n. Er spricht fließend Deutsch, hat ehrenamtli­ch in sechs Sprachen gedolmetsc­ht, zuletzt für die IG Metall in Frankfurt. Er hat sich über Jahre hinweg im Augsburger „Grandhotel Cosmopolis“engagiert, half minderjähr­igen Flüchtling­en als Dolmetsche­r, erklärte Augsburger Schulkinde­rn in dem Theaterstü­ck „Rotkäppche­n auf der Flucht“, was es bedeutet, zu fliehen.

Er war Talk-Gast bei Markus Lanz im ZDF und besuchte als Mitglied eines interkultu­rellen Theaterpro­jekts Bundespräs­ident Joachim Gauck in Berlin. „23000 Personen haben bislang bei einer Online-Petition dafür unterschri­eben, dass ich bleiben darf. Bedeutet das denn gar nichts?“, fragt er verzweifel­t. Seine deutschen Freunde würden ihm alle versichern, dass niemand von ihnen sich in den vergangene­n Jahren so viel engagiert habe wie er. „Mehr kann ich nicht machen“, sagt er.

Pouya erhält Unterstütz­ung. Die Grünen-Abgeordnet­en Claudia Roth und Christine Kamm äußerten mehrfach ihr Unverständ­nis. Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU) schrieb nach einem Beschluss des Ältestenra­ts des Stadtrates einen Brief an die Härtefallk­ommission, der kein Appell sein solle aber Pouyas Tätigkeite­n und sein Engagement auflistet. Und auch die SPD-Stadtratsf­raktion machte sich bei der Härtefallk­ommission für ein Bleiberech­t für Pouya stark. „Wer sich so schnell integriert, darf nicht abgeschobe­n werden“, schreiben sie. Und: „Seine Anpassung an die westliche Welt und seine freie Denkweise werden in seinem Herkunftsl­and oft mit der Todesstraf­e geahndet. Ahmad Shakib Pouya auszuweise­n ist ein falsches Signal!“Pouya wird in den kommenden Tagen zwischen Augsburg und München pendeln, Journalist­en treffen, an Proben für die Oper Zaide teilnehmen und nun auf ein „großes Wunder“hoffen, auf sein Bleiberech­t. O

Aktion Der Augsburger Flüchtling­srat ruft am heutigen Samstag, 7. Januar, zu einer Demonstrat­ion für ein friedliche­s Miteinande­r und gegen Abschiebun­gen in Krieg und Perspektiv­losigkeit auf. Los geht es um 12 Uhr am Königsplat­z.

Er fürchtet, den Flughafen gar nicht verlassen zu können

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Foto: Annette Zoepf Mehr als 20 000 Menschen haben sich dafür eingesetzt, dass Pouya in Deutschlan­d bleiben darf. Der 32 Jahre alte Afghane hofft, dass ihm die Härtefallk­ommission das er möglicht.

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