Augsburger Allgemeine (Land West)
Schnapseln bis zum „letzten Willi“
Lustspiel Das Chiemgauer Volkstheater begeistert in Gersthofen vor allem mit doppelzüngigen Dialogen
Zünftige Blasmusik im Hintergrund, eine rustikale Almstube als Handlungsort und eine herrlich morbide Rahmengeschichte, die sich rund ums fröhliche Ableben so mancher ruraler Zeitgenossen dreht: Das Chiemgauer Volkstheater hat in der Gersthofer Stadthalle seinen neuen Schauspielstreich präsentiert und mit dem Dreiakter „Mei bester Freind“dem Publikum schöne Stunden der bäuerlichen Bühnenunterhaltung serviert.
Jeder einzelne Darsteller erhielt einen tosenden Applaus, als er beim ersten Auftritt vor die vollgefüllte Halle trat. Die hanebüchene Handlung des Stücks war simpel gestrickt, aber gerade deshalb auch ein unbeschwerter Spaß für Jung und Alt: Bauer Sepp (Andreas Kern) ist ein eingebildeter Kranker, der angeblich von sämtlichen Gemeinheiten des körperlichen Leidens heimgesucht wird – das äußerst seltene Phänomen der „Nichtverdauung“und eine Unzahl querliegender Salzbrezen im Rachen sind noch die geringsten Handicaps, mit welchen der grantelnde Landwirt vermeintlich zu kämpfen hat. Als er schließlich ein mitgehörtes medizinisches Telefonat seines Hausarztes Otto Kirschenhofer (Bernd Helfrich) irrtümlich auf seine eigene Person bezieht und dann auch noch unerwartet ein Bestatter (Flo Bauer) auf dem Hof erscheint, sieht Sepp konsequenterweise sein letztes Stündlein schlagen. Jetzt muss rasch seine Nachfolge geregelt werden – doch dann kommt alles völlig anders, als man denkt ...
Was bei dieser übermütigen Inszenierung von Anfang an ins Auge stach: Die Darsteller zeichneten sich durch ihre professionellen Schauspielkünste aus, und die Geschichte lebte durch ihre sprachlichen Feinheiten, die im Rahmen der tolldreisten Todesthematik eine vergnügliche Selbstironie entwickelten: Wenn etwas „der letzte Schrei“war oder sich der hypochondrische Agrarier heimlich „vom Acker macht“, entfalteten solch harmlose Redewendungen ihre ganz eigene morbide Dynamik mit herrlich amüsanten Doppelbedeutungen.
Die scheinbar unvermeidliche Seebestattung auf dem Chiemsee wurde zumindest verbal zur harmlosen Fischfütterung, das bäuerliche Mobiltelefon mit dem Klingelton „Spiel mir das Lied vom Tod“offenbarte sich als lustiger Einfall des versierten Bühnenteams. Die Inszenierung war darüber hinaus professionell gesprochen, stimmig choreografiert und durchwegs perfekt durchkoordiniert. Möglicherweise ein kleines bisschen zu perfekt? Schöner wäre es vielleicht gewesen, wenn statt der stoisch rezitierten Drehbuchdialoge etwas mehr spielfreudige Improvisation, zerknautschtere Gesichtsgrimassen oder derbere Fluchtiraden zu erleben gewesen wären. Und anders als die liebevoll zusammengewürfelten Bühnenantiquitäten der meisten Laientheater präsentierte sich die Kulisse hier eher als aufgezwungene und garantiert staubfreie Spielzone in der grellen Ausleuchtung eines Möbelhauses, was zumindest unterschwellig eine gewisse Distanz zur dargestellten Hüttengemütlichkeit erzeugte.
Das geniale Drehbuch von Regisseur Bernd Helfrich machte solche Kleinigkeiten wieder wett. Die originelle Geschichte war wohldurchdacht, die doppelzüngigen Dialoge verursachten zahllose Schenkelklopfer, und fröhlich geschnapselt wurde ebenfalls bis zum bitteren Ende – auch wenn es handlungsbedingt „der letzte Willi“war.