Augsburger Allgemeine (Land West)
Magnet für Tausende Gläubige
Kirchenserie Wie es der kleine Wallfahrtsort Maria Vesperbild geschafft hat, als Gebetsstätte eine so große Anziehungskraft zu entwickeln
Maria Vesperbild
Der Chef selbst ist einer der treuesten und am längsten den aus nah und fern kommenden Besuchern dienender Seelsorger. Seit 28 Jahren leitet Prälat Wilhelm Imkamp Bayerns zweitgrößten Wallfahrtsort nach Altötting. Er belebt ihn jeden Sonntag mit aktuellen und die Seele berührenden Predigten, ist aber auch sein eigener und für einen solchen Gnadenort überraschend aktiver Medienberater. „Die Kirche muss lebendig bleiben.“Und Imkamp weiter: „Kein Wallfahrtsort in der Bundesrepublik ist im Internet so präsent wie Maria Vesperbild.“
Es ist nicht die Wallfahrtskirche allein, die in den „Stauden“, also am Westrand des Naturparks Augsburg – Westliche Wälder, zum Gebet einlädt. Dazu gehören in der unmittelbaren Umgebung zusätzlich die Fatimagrotte, das St.-Klara-Kloster, in Ziemetshausen die Pfarrkirche sowie die Christophoruskapelle mit Lourdesgrotte und die Jakobuskapelle in Hinterschellenbach, die alle einen Abstecher wert sind. Besonders die Statue der Mutter des Sohnes Gottes in der Vesperbilder Waldgrotte gibt vielerlei Hilfen, wie sich an den zahlreichen Votivtafeln zeigt. Hunderte von Kerzen tauchen sie selbst bei Sonnenschein in ein mystisches Licht.
Blicken wir zurück in die Vergan- genheit: Prälat Imkamp hat die Geschichte „seiner“Wallfahrt im Kopf und braucht kein Nachschlagewerk, um deren mittelalterliche Details zu erzählen. Anlass war der Pfleger der Herrschaft Seyfriedsberg Jakob von St. Vincent, der 1648 als Dank für das Ende des Dreißigjährigen Krieges das Gnadenbild stiftete, dessen Herkunft unbekannt ist.
Bereits damals begann für Maria Vesperbild „eine kontinuierliche Erfolgsgeschichte, die noch immer anhält“, wie sich der Wallfahrtsdirektor sicher ist. Deshalb verwundert es nicht, dass die heutige anno 1754/56 von dem Münsterhauser Baumeister Johann Georg Hitzelberger erbaute Kirche bereits der vierte Bau an dieser Stelle ist. Warum es seit damals keine Vergrößerung gab, obwohl sich die Zahl der Pilger in jüngerer Zeit bei einer halben Million pro Jahr einpendelte? Wilhelm Imkamp: „Wir entschieden uns für zwei großformatige Bildschirme auf dem südlichen und nördlichen Kirchplatz und lassen auf diese moderne Art alle Besucher am Geschehen in der Kirche teilhaben.“
Maria Vesperbild besitzt noch etwas Besonderes und unterscheidet sich dadurch von anderen Wallfahrten: In den 28 Jahren seiner Tätigkeit hat Imkamp hier eine ihm vorher nicht bekannte „emotionale Kontinuität und Identität des Wallfahrtslebens“erlebt.
Das Fazit daraus: Die typisch schwäbisch-bayerische Gebetsstätte des 19. Jahrhunderts ist zu einem Gnadenort gewachsen, dem der Wallfahrtsdirektor auch für die Zu- kunft Erfolg und positives Wachstum voraussagt. Eher skeptisch sieht er dagegen die derzeitige Situation der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum. Sie hat für ihn „zu wenig eigenständiges Profil“und sei den jüngeren Generationen „kaum noch vermittelbar“. In Maria Vesperbild ist dies anders: „Bei uns können die Menschen innehalten und werden in Ruhe gelassen.“Wichtig für Imkamp auch: „Wir bieten an – aber vereinnahmen nicht.“
Als „Hausmeister der Gottesmutter“will er seinen Beitrag leisten, dass dies auch künftig praktiziert werde. Wie? „Möglichst viele sollen zu ihr nach Vesperbild kommen, und dafür halten wir die Türen offen.“Was die jungen Gläubigen angeht, so verweist Imkamp auf die monatlichen Fatimatage. Vor zwei Jahrzehnten glaubte er noch, sie seien auf Dauer nicht zu halten. Seine positive Feststellung heute: „Das Publikum ist jünger geworden, wenn auch nicht jugendlicher.“An den Sonntagen freut er sich über viele junge Familien mit Kindern, denen er bei vollem Gotteshaus über die Außenbeschallung oder den Mutter-Kind-Raum ein Hochamt einschließlich Predigt „nicht über 50 Minuten“anbietet.
Das Leben der Wallfahrt bezieht sich jedoch nicht nur auf den Kirchenraum, auch wenn er für den Prälaten der Mittelpunkt bleibt. Zumindest bei den Besuchern, die wochentags oder im Rahmen eines Ausflugs hierherkommen, dürfte die nahe Waldgrotte ein gleichwertiges Ziel sein.
In hohem Mischwaldbestand, umrahmt von einer Vielzahl alter und neuer Votivtafeln sowie zahlreichen brennenden Kerzen, steht hier die Fatima-Madonna als Gesprächspartnerin für sorgenvolle Anliegen, stille Anbetung und ebenso dankbares Gedenken für erhaltene Hilfe bereit.
Nicht weit davon entfernt wird den Besuchern Landschaft pur geboten. Da ist der Weg bergauf zum Schloss Seyfriedsberg mit seinem sehenswerten botanischen Park. Der Bau selbst ist tabu, dafür sollte der stille Friedhof für die bisherigen Schlossherren unweit der Straße nach Langenneufnach in den Parkspaziergang einbezogen werden. Der Weg zurück macht einen Abstecher zum Kloster der Klarissinnen möglich.
Das Eingangstor ist zwar offen; doch Besuche in dem strengen Orden sind nicht möglich. Offen stehen dagegen die anderen kirchlichen Bauten in Ziemetshausen und das Jakobuskirchlein im Ziemetshauser Ortsteil Hinterschellenbach – als Tagesziel vieler Wanderer, die sich auf dem „Muschelweg“in Richtung Santiago bewegen. Bis in den äußersten Nordwesten Spaniens wären es allerdings noch 2522 Kilometer, wie der Stein an der Vesperbilder Fatimagrotte aufzeigt.
„Wir bieten an, aber wir vereinnahmen nicht.“Prälat Wilhelm Imkamp, Wallfahrtsdirektor