Augsburger Allgemeine (Land West)
Bürgermeisterin will zur Normalität zurück
Drohungen Im vergangenen Jahr wurde Silvia Kugelmann in Kutzenhausen das Ziel heftiger Attacken. Wie geht es ihr heute?
Der Gang zum Briefkasten ist für Silvia Kugelmann noch immer nicht einfach. Ein unbekannter Täter hatte die Kutzenhauser Bürgermeisterin über Jahre hinweg mit Drohbriefen belästigt. Wüste Beschimpfungen, handschriftlich an den Rand von Gemeinde veröffentlichungen geschmiert. Die Worte wirkten wirr und hasserfüllt. Kugelmann hatte das lange für sich behalten. Als dann aber auch Mitglieder im Gemeinderat anonyme Post erhielten, erstattete sie Anzeige. Seitdem, so erzählt die Rathauschefin, sei Ruhe. Doch jeder Briefumschlag, der ohne Absender im Postkasten liegt, macht die 50-Jährige nervös. „Ich überlege sofort, was kann da drin sein“, sagt Kugelmann.
In solchen Momenten muss sie zugeben, dass ein Stück Leichtigkeit im Leben verloren gegangen ist. „Man wird wachsamer und ändert sein Verhalten.“Kugelmann will ihren Alltag nicht der Angst unterordnen, kann aber die Sensibilität nicht ausschalten. Kritische Situationen vermeidet sie. Ihr Auto etwa parkt sie nicht mehr an entlegenen Stellen. Die Erinnerungen an den Abend Ende Oktober, als ihr Wagen mit Hundekot verschmiert wurde, gehen ihr nicht aus dem Kopf. Damals hatte sich Kugelmann gerade von einer längeren Krankheit erholt, nahm das erste Mal wieder an einer Gemeinde ratssitzung teil. Alles lief gut, der Abend schien erfolgversprechend zu sein. Doch als die Bürgermeisterin zu ihrem Auto ging, konnte sie es nicht fassen. Die stinkende Schmiererei markierte den Höhepunkt einer ganzen Serie von Attacken.
Doch seit Silvia Kugelmann die Anfeindungen öffentlich gemacht hat, wächst der Zuspruch. Der Gemeinderat stellte sich geschlossen hinter seine Bürgermeisterin und auch aus dem Landratsamt Augsburg bekam Kugelmann Rückendeckung. Landrat Martin Sailer sprach von unhaltbaren Zuständen.
Was bleibt, ist die Frage nach dem Warum. Kugelmann denkt oft darüber nach. Vor allem die Art und Weise der Vorfälle beschäftigt sie. „Es ist erkennbar, dass die Grenzen dessen, was man dem anderen zumutet, um eigene Begehrlichkeiten durchzusetzen, fallen“, glaubt sie. Wer die Bürgermeisterin über Jahre hinweg drangsaliert hat, ist noch nicht klar. Es gäbe Spekulationen, sagt sie. Doch davon halte sie wenig. Viel lieber will sie zur Normalität zurückkehren und einen Schlussstrich unter die Sache ziehen. Mit einem Schuldbekenntnis rechnet sie nicht. „Mir würde es schon reichen, wenn man ganz normal mit mir umgeht“, sagt sie.
Es scheint, als sei Kutzenhausen jetzt enger zusammengerückt. Auch im Gemeinderat geht es ruhiger zu. Zuletzt hatte man sogar die Diskussionen um das Feuerwehrhaus mit einem einstimmigen Beschluss beendet. Über Jahre hinweg hatte der Gemeinderat über den Standort des Neubaus gestritten. Jetzt steht fest, das Feuerwehrhaus kommt hinter das Raiffeisengebäude. Sobald das Konzept steht, soll gebaut werden. Die neue Einigkeit sei ein gutes Zeichen, findet Kugelmann. Insofern habe der Skandal im letzten Jahr auch eine reinigende Wirkung gehabt.
2017 könnte das Jahr der Umsetzung werden, glaubt die Bürgermeisterin. Projekte wie der Hochwasserschutz, der Jugendverkehrsübungsplatz und die Kinderbetreuung stünden ganz oben auf der Prioritätenliste. Hält die Gemeinde jetzt zusammen, könne man viel schaffen, sagt Kugelmann. Damit das klappt, will sie ihre Politik weiter erklären und verständlicher machen. Kugelmann spricht vom Brücken bauen und Hände reichen. Sie weiß, dass es nicht einfach ist, alle in ein Boot zu holen. Man könne es nicht jedem recht machen. Erst recht nicht, wenn Einzelinteressen über das Gemeinwohl gestellt werden. „Umso wichtiger ist es, dass wir im Gespräch bleiben und erklären, was wir tun und warum wir es tun“, sagt Kugelmann. Denn hinter den gemeinen Drohungen verberge sich oft nichts anderes als Angst. „Die Menschen sind verunsichert, haben Angst vor Veränderungen. Und diese Sorgen müssen wir ernst nehmen.“