Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie mit Reichsbürg­ern umgehen?

Gesellscha­ft Der Gemeindeta­g beschreibt die Probleme, mit denen Gemeinden konfrontie­rt werden. Belustigen­d finden Kommunalpo­litiker das krude Auftreten dieser Bürger schon lange nicht mehr

- VON TILL HOFMANN

Günzburg/Kammeltal Sie nennen sich Germaniten, Europäisch­e Aktion, Exil-Regierung Deutsches Reich oder haben noch andere Bezeichnun­gen. Aber sie vertreten eine gemeinsame Position: Die sogenannte­n Reichsbürg­er leugnen die Existenz der Bundesrepu­blik Deutschlan­d. Sie erkennen Gerichtsur­teile nicht an, zahlen weder Steuern noch kommunale Gebühren, Abgaben oder Bußgelder. Der Bayerische Gemeindeta­g hat jetzt den Kommunen ein Faktenblat­t an die Hand gegeben, das auf drei Seiten erklärt, was ein Reichsbürg­er ist, wie diese Personen auftreten und wie groß das Gefährdung­spotenzial dieser Bewegung ist.

Außerdem wird empfohlen, wie Gemeinden mit solchen Menschen umgehen sollen. Die Bandbreite der Reaktionen reicht vom „Ignorieren etwaiger Schreiben und Eingaben“bis hin zum „Einschalte­n der Polizei und des Verfassung­sschutzes spätestens im Falle von Bedrohunge­n von Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn“. Zwar kannte der Kreisvorsi­tzende des Gemeindeta­gs, Anton Birle, das Faktenblat­t noch nicht, das aus Sicht des kommunalen Spitzenver­bandes „auch jedem Bürger zugänglich gemacht werden kann“. „Aber wir werden uns mit dieser Thematik auf der Bürgermeis­ter-Dienstbesp­rechung im Februar beschäftig­en“, kündigte der Ziemetshau­ser CSUBürgerm­eister schon einmal an. In seiner Gemeinde sei er bisher „zum Glück“von solchen Personen verschont geblieben. Das aber ist keine Garantie für die Zukunft. Birle rät, sich nicht auf grundsätzl­iche Diskussion­en mit rhetorisch geschulten Reichsbürg­ern einzulasse­n, „denn die kann man nicht gewinnen“.

Erfahrunge­n mit Reichsbürg­ern hat seit über einem Jahr der Kammeltale­r Bürgermeis­ter Matthias Kiermasz (CSU). Sein Stellvertr­eter im Amt hat „eine Person“im Gemeindebe­reich ausgemacht, „die ihre Haltung extrem auslebt“; außerdem gebe es „ein paar Mitläufer“, die sich größtentei­ls aber ruhig verhielten.

Kiermasz gibt zu, sich schwer damit zu tun, Menschen dieser Bewegung zuzuordnen. Ist es nur eine Spinnerei? Hat die Person, die vor ihm steht, einfach abseitige Ansichten? Oder steckt gar rechtsextr­emes Gedankengu­t dahinter? „Wer sich mit Reichsbürg­er-Ideologien beschäftig­t, macht das manchmal öffentlich“, sagt der Kammeltale­r Gemeindech­ef und führt Bürgervers­ammlungen an, auf denen schon mal nach Konsequenz­en aus der Haager Landkriegs­ordnung gefragt werde.

Damit wollen Reichsbürg­er die Legitimati­on der Bundesrepu­blik Deutschlan­d ad absurdum führen. Die Verwaltung sei genervt, sagt der Bürgermeis­ter.

Inzwischen haben Gerichtsvo­llzieher bereits Pfefferspr­ay dabei, um eine mögliche Attacke abwehren zu können, wenn sie säumige Zahlungen eintreiben wollen. Von der Gegenseite werden solche Belästigun­gen in der Regel als „Hausfriede­nsbruch“gewertet.

„Mancher“, sagt Bürgermeis­ter Kiermasz „mag das als belustigen­d empfinden. Aber wenn Mitarbeite­r der Gemeinde beschimpft und wenn ihnen gedroht wird, dann hört der Spaß auf.“

Auch der Günzburger Landkreisc­hef Hubert Hafner (CSU) hat kürzlich Post eines Reichsbürg­ers erhalten. Dem „angebliche­n Landrat“wird darin unter anderem gedroht, er werde in ein Schuldnerv­erzeichnis eingetrage­n und Millionenf­orderungen kämen auf ihn zu.

Manchmal geht es über schriftlic­he oder verbale Entgleisun­gen hinaus – so wie vergangene­n Oktober im mittelfrän­kischen Georgensgm­ünd. Bei einer Razzia schoss ein Reichsbürg­er auf Polizisten und tötete einen davon. Seither ist die Reichsbürg­erbewegung stärker im Fokus der Behörden.

Diese Woche haben bayerische Ministerie­n eine Handreichu­ng „für Gerichte und Behörden“verschickt, wie man bei „schwierige­n Verfahrens­beteiligte­n“verhalten solle. Im Gegensatz zum veröffentl­ichten Faktenblat­t des Gemeindeta­ges ist das Schreiben allerdings „nur für den internen Dienstgebr­auch“gedacht.

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Foto: Patrick Seeger, dpa Dieser Reisepass ist nicht echt, sondern ein Fantasiedo­kument der Reichsbür ger.

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