Augsburger Allgemeine (Land West)
Musik mit Migrationshintergrund
Wien, Wien, nur du allein? Keineswegs. Joseph Haydn zog es immer wieder in eine andere Weltstadt mit musikbegeistertem Publikum: nach London. Während drei längerer Aufenthalte genoss er den Jubel der Engländer und komponierte nicht weniger als zwölf Londoner Sinfonien. Es lohnte sich. Haydn schrieb nach einem Konzert im Haymarket Theater: „Ich machte an diesem Abend 4000 Gulden. Sowas kann man nur in London machen.“Und über seinen Empfang in der britischen Hauptstadt schrieb er: „Meine Ankunft verursachte großes Aufsehen durch die ganze Stadt. Jedermann ist begierig, mich kennenzulernen.“König George III. bot ihm einen Platz im Windsor Castle an, wenn er sich entschließen könnte, ganz in England zu bleiben. Vergebens. Es zog Haydn halt doch wieder zurück nach Wien.
Anders Friedrich Händel aus Halle an der Saale. Er hatte schon in Italien große Erfolge gefeiert – in Rom als Komponist von Oratorien, in Florenz als Opernkomponist. In der Heimat dieser Kunstform wurde er als „caro Sassone“, als geliebter Sachse, umjubelt. Auf Dauer adoptieren ließ er sich aber nicht von den Italienern, sondern von den Briten. Dort wurde seine Oper Rinaldo mit solchem Erfolg uraufgeführt, dass er im Jahr darauf, 1792, nach London übersiedelte. Er stieß, wie später Haydn, in England in eine Lücke. Die musikbegeisterten Briten erlebten gerade eine Flaute an eigenen Komponisten-Genies und importierten welche vom Kontinent.
Und anders als Haydn blieb Händel bis zu seinem Tod. Aus Georg Friedrich Händel wurde George Frederic Handel. Den Wechsel von Georg zu George erlebte er übrigens
Händel
nicht allein: Auch der englische König, George I., hatte seine zunächst nur fürstliche Laufbahn als Georg in Hannover begonnen. Für diesen König komponierte Händel eine Wassermusik, die so sehr begeisterte, dass sie mehrmals gespielt werden musste, während King George auf der Themse genussvoll dahingondelte. Der Komponisten-Alltag aber galt der Opernmusik und später, als die BarockOper etwas aus der Mode kam, mehr den Oratorien. Als Händel, der Superstar, in der Westminster Abbey zur letzten Ruhe kam, nahmen 3000 Menschen von ihm Abschied. Als Joseph Haydn in Wien starb, marschierte Napoleon in die Stadt ein. Haydn musste auf dem Sterbebett seine angstschlotternde Dienerschaft beruhigen.
Haydn