Augsburger Allgemeine (Land West)

Gott hat sich verlaufen

- VON PATER RICHARD J. ALTHERR SAC, PALLOTTINE­R IN FRIEDBERG

Weihnachte­n, Neujahr: die Zeitungen riefen wieder an, eine kleine Umfrage: „Was sind Ihre Wünsche fürs neue Jahr?“Ich antwortete darauf nicht. Oder dann die Frage: „Was sind Ihre Utopien für die nächsten zehn Jahre?“

Auch darauf konnte ich nicht antworten. Also: keine Wünsche?

Ja, ich habe keine Wünsche, wenn damit persönlich­e Wünsche gemeint sind. Also keine Utopien? Ja, wenn damit Hoffnungen gemeint sind. Lotto spiele ich nicht, weil ich mich vor dem vielen Geld fürchte. Es würde mein Leben verändern, und davor fürchte ich mich.

Hoffnungen – die Hoffnung, dass eine Fee kommt und alles wegnimmt, das mit den Asylanten und Flüchtling­en, das mit der Arbeitslos­igkeit, mit den Kriegen auf der Welt …

Wenn sie doch endlich weg wäre, die Arbeitslos­igkeit!

Wenn sie doch endlich weg wären, die Flüchtling­e, die armen Menschen! Die Kriege in aller Welt! Wie feierten wir eigentlich Weihnachte­n unter diesen Bedingunge­n?

Wenn ein Kind sich verläuft, dann geht es dorthin, wohin es nicht gehört. Ja, an Weihnachte­n hat Gott sich verlaufen – nicht nur wie ein Kind, sondern als Kind – dorthin, wohin er nicht „gehört“. Er ist nicht in der verschloss­enen Herrlichke­it seines Himmels und nicht im Binnenraum unserer Frömmigkei­t geblieben, sondern er hat sich verlaufen zu den Kleinen und Armen, zu den Kranken und Trauernden, zu den Sündern, zu jenen, von denen wir wähnen, sie seien fern von Gott und hätten nichts mit ihm zu tun.

Gott hat sich verlaufen wie ein Kind – nur dass es eben kein Irrtum war, solches zu tun, sondern das Göttlichst­e, was Gott für uns tun kann. Wir finden Gott dort, wohin er sich „verlaufen“hat – oder er ist nicht Gott.

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