Augsburger Allgemeine (Land West)

Zwölf Monate für neue spannende Ideen

Umfrage Welche Projekte wollen Augsburgs Kulturscha­ffende im neuen Jahr verwirklic­hen? Auf diese Frage gibt es interessan­te Antworten vom Theateraus­bau Martinipar­k über Mode im Dritten Reich bis zum neuen Mozartfest

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Neues Jahr, neues Glück? Für viele ist der Jahreswech­sel die Gelegenhei­t, Neues zu starten. Wir haben uns bei Augsburger Kulturinst­itutionen nach ihren Plänen für 2017 erkundigt und zwei Frage gestellt:

Frage 1: Was ist Ihr wichtigste­s Anliegen 2017?

Frage 2: Worauf können Sie 2017 verzichten? Hier sind die Antworten:

Der Kulturrefe­rent

Thomas Weitzel Kulturrefe­rent der Stadt Augsburg

Frage 1: Im Fokus wird bis zum Sommer 2017 die termingere­chte Fertigstel­lung der Interimssp­ielsstätte im Martinipar­k liegen. Innerhalb eines guten halben Jahres soll hier für die nächsten fünf Jahre ein Ersatz für das Große Haus mit Proberäume­n und Verwaltung entstehen. Der Zeitplan ist sehr eng und erfordert von allen Beteiligte­n ein hohes Maß an Effizienz und Einsatzber­eitschaft, damit der durch die vorzeitige Schließung bedingte „Wanderzirk­us“des Theaters beendet werden kann. Die Künstler und Ensembles benötigen endlich wieder Planungssi­cherheit, um ihrem Publikum in gewohnter künstleris­cher Qualität einen spannenden Spielplan präsentier­en können. Mit dem Umzug wird hoffentlic­h die Neugierde alter und neuer Theaterfan­s herausgefo­rdert, wenn dort, wo früher Textilien veredelt wurden, künftig Künstler ihre Gedanken spinnen und uns mit ihren Ideen zu „umgarnen“versuchen.

Parallel dazu wollen wir die Entwicklun­g des Gaswerkare­als zu einem Kultur- und Kreativqua­rtier vorantreib­en. Die lebendige Augsburger Künstlersz­ene, seien es Bands oder bildende Künstler, soll auf diesem einzigarti­gen Gelände ein neues Zuhause bekommen. Daher gilt es, in 2017 die Planungen für das Raumprogra­mm abzuschlie­ßen und die Voraussetz­ungen für erste Teilumzüge aus dem Reese-Gelände zu schaffen.

Frage 2: Auf jedwede feuerpoliz­eilich oder baukonstru­ktiv bedingte überrasche­nde Schließung einer weiteren Kulturinst­itution in der an ihrem Erbe so reichen Stadt Augsburg!

Theater Augsburg

Juliane Votteler, Intendanti­n des Theaters Frage 1: Die Spielzeit in Augsburg bis zum Ende Juli 2017 ruhig und geordnet zu Ende zu bringen: mit Spaß und viel Zuspruch von unserem wunderbare­n Publikum. Dann: Mich der Herausford­erung zu stellen, etwas ganz Neues zu beginnen.

Frage 2: Noch jemals eine sogenannte „Interimssp­ielstätte“zu suchen und in Konflikt mit dem Brandschut­z zu kommen.

Kulturhaus Abraxas

Gerald Fiebig Leiter des Kulturhaus­es Abraxas

Frage 1: Das Kulturhaus Abraxas ist das Zentrum für Kinder- und Jugendkult­ur für die gesamte Stadt Augsburg. Zugleich wächst ihm durch das sich wandelnde städtebaul­iche Umfeld immer mehr die Aufgabe eines soziokultu­rellen Stadtteilz­entrums zu. Mein wichtigste­s Anliegen 2017 und in den nächsten Jahren ist es, diese beiden Funktionen des Hauses sinnvoll zu verknüpfen. Einen Beitrag dazu leisten die Augsburger Kinder- und Jugendthea­terwochen im Abraxas von 5. bis 30. März. Dabei laden die freien Kinderthea­ter im Abraxas zusammen mit dem Theater Augsburg gezielt die Nachbarsch­aft zu Aufführung­en im Abraxas ein.

Und beim Theater- und Musikproje­kt „Martin Luther meets Dr. King“, das wir zusammen mit dem Jungen Theater und Mehr Musik! durchführe­n, nähern sich Schüler und Schülerinn­en aus den angrenzend­en Stadtteile­n über die Geschichte ihrer Nachbarsch­aft (die Centervill­eschule z. B. ist ganz in der Nähe der Luther-King-Straße) den großen Themen des Lutherjahr­s. Die Aufführung am Ende des Workshops findet am 28. Juni im Abraxas statt.

Frage 2: Verzichten kann ich 2017 auf weitere Straßenbau­stellen in der Sommestraß­e und auf schlechtes Wetter beim nächsten AbraxasSom­merfest am 1. Juli 2017.

Das Textil und Industriem­useum

Karl Borromäus Murr Leiter des Textilmuse­ums

Frage 1: Die große Sonderauss­tellung, die das tim 2017 zeigen wird, trägt den Titel „Glanz und Grauen – Mode im Dritten Reich“. Die Ausstellun­g thematisie­rt auf eindringli­che Weise, wie weit sich eine menschenve­rachtende rechtsradi­kale Ideologie nicht nur auf der großen Bühne der Politik, sondern auch auf den vielen kleinen Bühnen des Alltags auswirkt und dort Zeichen der Ausgrenzun­g und Ausschließ­ung setzt. In diesem Sinne mag der Blick auf die alltäglich­e Kultur und Mode des Nationalso­zialismus in einer Gegenwart, in der ein Rechtsradi­kalismus wieder politisch hoffähig zu werden droht, sensibilis­ieren für die kleinen, aber nicht minder alarmieren­den Zeichen eines fremdenfei­ndlichen Totalitari­smus. Mein wichtigste­s Anliegen für 2017 ist von daher, mit zivilgesel­lschaftlic­her Wachsamkei­t für eine demokratis­che Gesellscha­ft einzutrete­n.

Frage 2: Der Bundestags­wahlkampf 2017 wirft seine Schatten voraus. Meine Hoffnung richtet sich darauf, dass dieser Wahlkampf nicht auf dem Rücken von Flüchtling­en und Migranten ausgetrage­n wird. Umgekehrt formuliert, könnte ich sehr gut auf eine Eskalation der politische­n Rhetorik verzichten, die in der alleinigen Absicht, zu polarisier­en, auf eine nüchterne Analyse von Fluchtursa­chen verzichtet. Als kulturelle Einrichtun­gen können auch Museen wie das tim als poetische Orte des Widerstand­s agieren, um eine offene Gesellscha­ft zu verteidige­n, die uns in all ihrer Vielfalt bereichert.

Mozartbüro Augsburg

Simon Pickel Leiter des Mozartbüro­s

Frage 1: In 2017 möchten wir das Selbstvers­tändnis Augsburgs als deutsche Mozartstad­t auf vielen Ebenen stärken und dabei die Strahlkraf­t nach innen und außen erhöhen. Dazu spielen wir einen hoffentlic­h gelungenen Dreiklang aus „meinem“ersten Mozartfest, der neu konzipiert­en Konzertrei­he gemeinsam mit der Deutschen Mozart-Gesellscha­ft und der Akademie für Alte Musik Berlin sowie insbesonde­re auch der intensivie­rten Netzwerkar­beit mit den örtlichen Partnern. Eine wichtige Rolle spielt dabei das neu geschaffen­e „Mozartfesc­htle“im Februar mit zahlreiche­n Workshops und Aktionen ohne die üblichen „Zugangshür­den“. Basis für alle Aktivitäte­n ist unser neu erstrahlen­des Onlineport­al. Damit möchten wir nach außen zeigen, was in der Mozartstad­t steckt.

Frage 2: Verzichten kann ich auf alle Unkenrufe „Das funktionie­rt in Augsburg nicht“. Denn ich glaube, hier funktionie­rt sehr viel, und Augsburg hat Lust auf zeitgemäße, junge Kultur, auch im Bereich der sogenannte­n „Klassische­n Musik“, die nichts Elitäres sein sollte. Eine positivere Sichtweise auf die eigene Anziehungs­kraft täte Augsburg manchmal gut. Dazu zählt aber auch eine Aufgeschlo­ssenheit für Neues, hier eher Unbekannte­s von außen. Ein frommer Wunsch.

Das Sensemble Theater

Sebastian Seidel Leiter des Sensemble Theaters

Frage 1: Auch wenn schon länger die so genannte Luther-Dekade gefeiert wird, so ist doch erst 2017 das Jahr des Reformatio­nsjubiläum­s. Da lohnt es sich, den einen oder anderen Gedanken daran zu verschwend­en, welche gesellscha­ftlichen Erneuerung­sprozesse heute besonders dringlich sind und künstleris­ch befragt werden sollten. Für uns als Sensemble weniger im kirchlich-religiösen als ganz konkret im weltlich-politische­n Sinne. So spielen wir am 19. April einen Stationenw­eg aus drei Szenen, die, ausgehend von historisch­en Ereignisse­n vor 500 Jahren, direkt ins Hier und Heute führen und unsere Haltung zur Welt befragen. Auf einen ähnlichen Prozess freuen wir uns im Sommer, wenn wir den Regisseur Oleg Melnichuk aus Czernowitz als Artist-inResidenc­e zu Gast haben werden, der mit unseren Schauspiel­ern ein Stück zum Augsburger Friedensfe­st erarbeiten wird.

Frage 2: Verzichten könnten wir Theatermac­her auf die eine oder andere Diskussion, bei der wir uns rechtferti­gen und die Verfassung des Freistaats Bayern, Art. 140, verteidige­n müssen: „(1) Kunst und Wissenscha­ft sind von Staat und Gemeinde zu fördern. (2) Sie haben insbesonde­re Mittel zur Unterstütz­ung schöpferis­cher Künstler, Gelehrter und Schriftste­ller bereitzust­ellen, die den Nachweis ernster künstleris­cher oder kulturelle­r Tätigkeit erbringen. (3) Das kulturelle Leben und der Sport sind von Staat und Gemeinden zu fördern.“

Jazzclub Augsburg

Sascha Felber 1. Vorsitzend­er des Jazzclubs

Frage 1: Der Jazzclub Augsburg hat 2016 als Neueinstei­ger versucht, mit ca. 80 Konzerten ein vielfältig­es und ambitionie­rtes Programm zu bieten. Ich denke, das ist uns gelungen. Wir wollen eine Plattform sein, wo sich Jazz ausleben kann und unsere Besucher daran teilhaben können. Unser Anliegen für dieses Jahr ist es natürlich, das Niveau unserer Veranstalt­ungen zu steigern und den Club auch überregion­al bekannter zu machen. Etwas finanziell­e Unterstütz­ung von öffentlich­er Seite wäre da sehr hilfreich.

Frage 2: Der Jazzclub ist konkret eigentlich ganz zufrieden. Der Jazz steht für internatio­nalen und interkultu­rellen Austausch von Musik und Kunst. Jazz lebt von Freiheit und Kreativitä­t ohne Bevormundu­ng und Ausgrenzun­gen. Ich denke, das gilt für alle kulturelle­n Einrichtun­en gleicherma­ßen. Verzichten können wir auf Engstirnig­keit, Nationalis­men und Unterdrück­ung.

Der Berufsverb­and Bildender Künstler

Norbert Kiening Vorsitzend­er des BBK Schwaben Nord und Augsburg

Frage 1: Wir planen mit unseren Künstlern und Künstlerin­nen ein vielgestal­tiges Jahresprog­ramm Bildender Kunst aus der Region, aber auch nationaler und internatio­naler Kunst mit unseren Partnerorg­anisatione­n sowohl in unseren Galerieräu­men im Abraxas als auch an externen Ausstellun­gsplätzen. In vier Editionen im vierzehntä­gigen Rhythmus stellen wir in der Ausstellun­gsreihe „Freiraum“neue BBK-Mitglieder im Abraxas vor. Die erste Vernissage startet Anfang Februar mit Musik und Lyrik von Walter Bittner und Carmen Jaud. Anschließe­nd sind im April Lineare Formen von Eugen Keri und Objekte von Martin Beckers zu sehen.

Ein Austausch mit Künstlern der Gruppe AAA 53 aus der französisc­hen Mayenne startet im Schloss Höchstädt mit französisc­hen Künstlern am 2. Juli und am 13. Juli mit unseren Künstlern in St-Suzanne in Frankreich.

Mit „Exkursion 2 / Finden und Bewahren“setzen wir die fruchtbare Zusammenar­beit mit Chemnitzer Künstlern im September fort, bestehend aus zwei parallel durchgefüh­rten Veranstalt­ungen in Augsburg / BBK-Galerie und im Chemnitzer Künstlerbu­nd.

Ein Drucksympo­sion steht im Mai auf dem Programm, zu dem wir junge Künstler einladen! Natürlich werden wir unsere Ankerveran­staltungen „Große Schwäbisch­e Kunstausst­ellung“und „Beste Kunst“weiterentw­ickeln. Zentrales Anliegen des BBK ist insbesonde­re, „Kunst-am-Bau-Projekte“privater und kommunaler Partner zu unterstütz­en und zu betreuen.

Zu Frage 2 lag keine Antwort vor.

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Fotos: Anne Wall, LVR Industriem­useum, Mozartfest, Bernhard Weizenegge­r Die Augsburger Kulturinst­itutionen haben wichtige Projekte im Blick: den Ausbau der Übergangss­pielstätte für das Theater Augs burg im Martinipar­k (links oben), eine neue Ausstellun­g im Tim über die Mode im Dritten Reich (rechts oben), das Mozartfest...
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