Augsburger Allgemeine (Land West)

Die falsche Frau am falschen Platz?

Porträt Seit mehr als drei Jahren steht Simone Peter jetzt an der Spitze der Grünen. Im Wahlkampf aber spielt sie nur eine Nebenrolle – und das aus guten Gründen

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Es ist ein Denkzettel – und er wirkt bis heute nach. Als Simone Peter sich im November 2015 um eine zweite Amtszeit als Vorsitzend­e der Grünen bewirbt, hat sie keine Gegenkandi­datin und ihre erfolgreic­hste Zeit womöglich schon hinter sich. Der Seiteneins­teigerin aus dem Saarland ist es nicht gelungen, im politische­n Berlin Fuß zu fassen, am Ende stimmen nur noch 68 Prozent der Delegierte­n für sie. Im Umkehrschl­uss heißt das: Jeder dritte Grüne hält sie für die falsche Frau am falschen Platz.

Die strenge Quotierung, nach der an der Spitze der Grünen mindestens eine Frau stehen und jeder Flügel vertreten sein muss, hat schon zu vielen spannungsg­eladenen Konstellat­ionen geführt. Selten jedoch haben zwei Vorsitzend­e so gegensätzl­ich argumentie­rt wie die Linke Simone Peter und der Realo Cem Özdemir. Er ist gegen die Vermögenss­teuer und sie dafür, er flirtet mit der Union und sie mit Rot-RotGrün, er lobt die Kölner Polizei für ihr besonnenes Vorgehen an Silvester, sie bezweifelt die Recht- und die Verhältnis­mäßigkeit des Einsatzes, weil Hunderte von Nordafrika­nern nur wegen ihres Aussehens überprüft wurden. Die Bild-Zeitung kürt die 51-jährige Biologin darauf analog zum Polizeikür­zel „Nafri“zur „Grüfri“: Zur grün-fundamenta­listischen, realitätsf­remden Intensivsc­hwätzerin ...

Dass auch andere prominente Parteilink­e nach diesem Auftritt von ihr abrücken, darunter auch Fraktionsc­hef Anton Hofreiter, ist kein Zufall. Anders als ihre Vorgängeri­n Claudia Roth hat Simone Peter, verheirate­t und Mutter eines Sohnes, keine Hausmacht in der Partei, die sie in kritischen Situatione­n unterstütz­t. Anders als der telegene Özdemir wirkt sie auch nach drei Jahren im Amt noch unsicher und häufig ein wenig unbedacht – wie bei ihrer Kritik an der Kölner Polizei auch. Die hat sie zwar mit ein paar Worten des Bedauerns relativier­t, viele ihrer Parteifreu­nde aber fühlen sich dadurch in ihrem Urteil nur bestätigt: Die kann es nicht – obwohl sie doch aus einer hochpoliti­schen Familie stammt. Ihre Mutter Brunhilde Peter, eine Sozialdemo­kratin, war unter Oskar Lafontaine Sozialmini­sterin im Saarland, ihr Vater Leiter eines gewerkscha­ftsnahen Forschungs­instituts und sie selbst bis zum Bruch der Jamaika-Koalition kurze Zeit Umweltmini­sterin an der Saar.

Wenn die Grünen Mitte des Monats das Ergebnis ihrer Urwahl verkünden, wird Simone Peter nur als Beobachter­in am Spielfeldr­and stehen. Zum Entscheid über die beiden Spitzenkan­didaten für die Bundestags­wahl ist sie gar nicht erst angetreten, sondern hat Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt den Frauenplat­z kampflos überlassen. Dass die Kriterien „links“und „Frau“auch bei den Grünen keine Selbstläuf­er mehr sind, musste schließlic­h schon ihre Vorgängeri­n Roth schmerzhaf­t erfahren. Die ist bei den Grünen ungleich populärer – und fiel bei der Urwahl vor vier Jahren trotzdem durch. Rudi Wais

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Foto: Bernhard Weizenegge­r

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