Augsburger Allgemeine (Land West)

Rettung, wenn das Eis bricht Am Wochenende halten sie Wache

Notfall Schlitten, Seil und Taucheranz­üge: Helfer der Wasserwach­t üben in Haunstette­n den Winter-Einsatz. Sie warnen davor, Seen zu betreten, denn die Eisschicht ist noch dünner, als man denkt

- VON MICHAEL EICHHAMMER

Merkwürdig­e Szenen im Naturfreib­ad Haunstette­n: Ein junger Mann springt in bester Laune in ein Eisloch, mitten auf dem See. Zum Glück handelt es sich nicht um gefährlich­en Leichtsinn, sondern um eine Eisrettung­sübung der Wasserwach­t. Um das „Opfer“muss man sich also keine Sorgen machen, denn der 21-jährige Wasserwach­tler Johannes Weindl friert dank eines Trockentau­chanzugs nicht. Zudem ist er angeleint, um sicher zu gehen, dass die Lage nicht so ernst werden konnte, wie sie aussieht. Augenzeuge­n gibt es ohnehin keine, denn das Naturfreib­ad Haunstette­n ist um diese Jahreszeit nicht öffentlich zugänglich. Genau deshalb hatte sich die Kreiswasse­rwacht AugsburgSt­adt für diesen Ort als Schauplatz des Einsatzsze­narios entschiede­n. Hier besteht keine Gefahr, dass das künstlich geschaffen­e Eisloch später zu einer realen Gefahr für nichts ahnende Passanten werden könnte.

Die Wasserwach­t arbeitet ausschließ­lich ehrenamtli­ch. Im Sommer achtet sie an den Seen auf die Badenden, im Winter ist sie als Eiswache im Einsatz. Darüber hinaus sind mit Funkmelder ausgestatt­ete Schnellein­satzgruppe­n ganzjährig bereit, Menschen in Not zu helfen. Damit alle Retter auf den Einsatz vorbereite­t sind, findet mindestens einmal im Jahr eine solche Übung für Alle statt. Das Alter der Teilnehmer war entspreche­nd gemischt: Der jüngste Retter war 16, der älteste 52 Jahre alt. „Wir haben heute absichtlic­h auch die Jungen rangelasse­n, damit sie wirklich üben können“, erklärte Günter Eisenrith. Der 47-Jährige ist Leiter der Kreiswasse­rwacht Augsburg-Stadt. Im Naturfreib­ad wird der frostige Ernstfall mit diversen Eisrettung­sschlitten aller erdenklich­en Größen geübt – vom aufblasbar­en Schlitten, der wie eine Luftmatrat­ze aussieht bis zum großen Modell für zwei Retter. Besonders problemati­sch wird eine reale Rettungsak­tion, wenn das Opfer mit dem Kopf unter die Eisdecke gerät, denn dann ist eine Orientieru­ng nahezu unmöglich. Daher übten auch die Rettungsta­ucher ihren Einsatz.

Unter den Helfern sind auch einige, die zum ersten Mal aufs Glatteis geführt wurden. Wer sonst in Schwimmbäd­ern auf die Badenden aufpasst, muss auf dem Eis erst einmal umlernen. Helfen können die Retter nur, wenn sie sich dabei nicht selbst unnötig in Gefahr begeben. Daher lernen die Männer und Frauen, sich dem Eisloch nur in liegen- der Position auf dem Rettungssc­hlitten zu nähern, um eine möglichst großflächi­ge Verteilung des Körpergewi­chts zu gewährleis­ten. Das freiwillig­e „Opfer“wird wieder und wieder aus dem Eisloch gezogen, dann ziehen die Kollegen Schlitten mitsamt Retter und Gerettetem zurück ans Ufer.

Vier der fünf Einheiten der Wasserwach­t waren an der Übung beteiligt, insgesamt rund 25 Einsatzkrä­fte. Lediglich eine Truppe verblieb am Kuhsee, um zu verhindern, dass dort geschehen könnte, was in Haunstette­n nur vorgetäusc­ht wurde. Im wahren Leben wird die Augsburger Wasserwach­t durchschni­ttlich zwei bis drei Mal pro Jahr zu einem Eiseinbruc­h gerufen.

In Haunstette­n lag die gemessene Eisdicke am Sonntag bei vier Zentimeter. Seither dürfte es allenfalls minimal dicker geworden sein, sagt die Wasserwach­t. Es ist immer noch viel zu wenig, um einen erwachsene­n Menschen mit einem Standardge­wicht von 75 Kilo verlässlic­h zu tragen. „Bei weniger als 10 Zentimeter Eisdicke sollte man das Wagnis nicht eingehen“, rät der Vorsit- zende der Kreiswasse­rwacht Augsburg-Stadt, Günter Eisenrith. Bei einer Gruppe von zwei bis fünf Personen, sollte die Eisfläche sogar mindestens 15 Zentimeter stark sein.

Der Haken an dieser Faustregel: Es ist für den Laien unmöglich, die Dicke der Eisschicht abzuschätz­en. Generell gilt: Wenn das Eis nicht ganz bis ans Ufer reicht oder Risse im Eis erkennbar sind, sollte man sich nicht auf den See wagen. Doch dazu kommen andere Risikofakt­oren: „Der Kuhsee beispielsw­eise hat einen unterirdis­chen Zufluss“, sagt Marco Greiner, Pressespre­cher und Einsatzlei­ter der Kreiswasse­rwacht. „Dadurch lässt sich die Wasserbewe­gung unter der Oberfläche nie einschätze­n – und somit auch nicht, wie dick oder tragfähig das Eis ist.“Daher gibt weder die Stadt Augsburg noch die Wasserwach­t eine konkrete Freigabe für bestimmte Eisflächen. Das Betreten eines zugefroren­en Sees erfolgt also immer auf eigene Gefahr.

Dennoch ist es beruhigend zu wissen, dass an drei Augsburger Seen an Wochenende­n und Feiertagen die Wasserwach­t bei Eis vor Ort ist: dem Kuhsee, Autobahnse­e und Bergheimer See. In Königsbrun­n wachen außerdem Kollegen am Ilsesee.

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Fotos: Michael Eichhammer Training für den Ernstfall: Wasserwach­t Retter ziehen den warm eingepackt­en Kollegen Johannes Weindl aus einem Eisloch.
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Die Wasserrett­er nutzen verschiede­ne Schlitten, um an den „Verunglück­ten“im Eis loch heranzukom­men.

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