Augsburger Allgemeine (Land West)
Freie Wähler starten selbstbewusst
Landespolitik Fraktionschef Hubert Aiwanger geht mit der Staatsregierung hart in Gericht, sieht sich aber auch als natürlicher Koalitionspartner der CSU – falls sie einen braucht
München/Cham
Mit demonstrativem Selbstbewusstsein und einer klaren Option für eine mögliche Zusammenarbeit mit der CSU in Bayern gehen die Freien Wähler in die anstehenden Wahlkämpfe. Große Illusionen, im Herbst in den Bundestag einzuziehen, können sich die Freien zwar nicht machen. Dazu sind sie außerhalb Bayerns zu schwach. Doch die Chance auf eine Regierungsbeteiligung in Bayern im Jahr 2018 hält Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger für durchaus realistisch. „Wir sehen uns als Qualitätsverbesserer in der Politik“, sagte er zum Abschluss der Klausurtagung der Landtagsfraktion in Cham in der Oberpfalz.
Die Liste der unerledigten Aufgaben in der Landespolitik, die Aiwanger der CSU vorhält, ist lang und detailliert. Sie beginnt mit der Wirtschaftspolitik. Bei den Megathemen „Digitalisierung“und „Industrie 4.0“habe die CSU-Staatsregierung die Entwicklung komplett verschlafen. So sei Finanzminister Markus Söder (CSU) immer noch wenn er Förderbescheide für eine Breitbandversorgung mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von 30 Megabyte pro Sekunde übergeben könne. Für eine ordentliche Vernetzung ganz Bayerns seien aber 500 Megabyte pro Sekunde nötig – in den großen Städten, aber eben auch im ländlichen Raum. „30 Megabyte“, so Aiwanger, „das ist, als würde ich den Bauern heutzutage einen Traktor ohne Allradantrieb andrehen.“
Einen „riesigen Nachholbedarf“sieht der Chef der Freien Wähler auch in der Tourismusförderung. „Da läuft viel zu wenig“, sagt er und verweist auf rückläufige Übernachtungszahlen und einen großen Modernisierungsbedarf in vielen bayerischen Hotel- und Gastronomiebetrieben. Bei der Vermarktung und der Vernetzung der Tourismusregionen, beim Ausbau von Rad- und Wanderwegen müsse der Staat aktiv helfen. „Da brauchen wir ein Modernisierungsprogramm“, sagt Aiwanger. Das habe sich auch während der Klausur bei Erkundungen der Abgeordneten in der Oberpfalz wieder deutlich gezeigt.
Ein „völliges Desaster“hat die CSU-Staatsregierung nach Auffassung der Freien Wähler beim Ausbau erneuerbarer Energien zu verantworten. Seit die umstrittene 10-H-Abstandsregelung für Windräder in Bayern eingeführt wurde, gehe überhaupt nichts mehr voran. „Da würde ich mir eine Wiederbelebung wünschen“, sagt Aiwanger. Ein dezentraler Ausbau erneuerbastolz, rer Energien könne wesentlich zur Stärkung des ländlichen Raums beitragen.
Und schließlich wollen die Freien auch bei der Gesundheitsversorgung in der Fläche Druck machen. Sie fordern unter anderem einen weniger strengen Numerus clausus für das Medizinstudium, um in Zukunft wieder genügend Hausärzte auszubilden, die dann auch bereit sind, in ländlichen Gegenden eine Praxis zu eröffnen.
Die Chancen, ihre Forderungen über eine Regierungsbeteiligung in Bayern auch umsetzen zu können, sehen die Freien Wähler gar nicht so schlecht. Aiwanger kann auf wieder gestiegene Umfragewerte verweisen – von zuletzt fünf auf nun wieder sieben Prozent. Er sagt: „Ich bin damit ganz zufrieden. Wir sind im Landtag mit Sicherheit dabei.“Und sollte die CSU bei der Landtagswahl 2018 unter 45 Prozent fallen, dann sind die Freien aus seiner Sicht auch der natürliche Partner der CSU. „Schwarz-Grün oder SchwarzRot“, so sagt er, „das müsste die CSU ihren Wählern erst einmal erklären.“