Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie man mit wenig Geld eine Wohnung findet
Wohnen Die Kirchenstiftung Herz Jesu vermietet Unterkünfte an Familien, die sich auf dem freien Markt schwertun. Eigentümer und Bewohner erzählen von ihren Erlebnissen. Eine besondere Hausgemeinschaft gibt es in Pfersee
Derartige Szenen spielen sich in den Wintermonaten in vielen Wohnzimmern ab. Der geschmückte Christbaum steht in der Ecke, die Familie trinkt Kaffee und verzehrt selbst gemachte Plätzchen. Doch für Nadim Kadar, seine Frau Issaaf Daimous und die drei Kinder sind diese Stunden etwas ganz Besonderes. Die Familie, die vor knapp zwei Jahren aus dem syrischen Homs geflüchtet ist, konnte die Festtage nicht nur in Sicherheit, sondern auch in einer eigenen Vier-ZimmerWohnung verbringen. Zu verdanken haben die anerkannten Flüchtlinge die Unterkunft der Kirchenstiftung Herz Jesu.
Eine alleinstehende Frau hatte die Immobilie der Kirchenstiftung vermacht. Bald war Pfarrer Franz Götz und Kirchenpfleger Ulrich Truckenmüller klar, was sie mit dem geerbten Mehrfamilienhaus machen wollen: Bezahlbaren Wohnraum für Familien schaffen, die sich keine Wohnung auf dem freien Markt leisten können und deren Miete teilweise von Jobcenter oder Sozialamt übernommen wird. Bis die ersten Bewohner im vergangenen Frühjahr einziehen konnten, stand erst einmal eine umfassende Sanierung des Hauses an, deren Kosten in Höhe von gut einer Viertelmillion Euro die Kirchenstiftung weitgehend selbst zahlen musste. Dennoch spricht Götz von „einem Geschenk des Himmels“.
Die Mieter haben über Mundpropaganda innerhalb der Pfarrei oder über Wohlfahrtsverbände von dem Angebot der Kirchenstiftung erfahren. Bei Familie Kadar, deren achtjähriger Sohn George unter Asthma leidet, stellte die Caritas den Kontakt her. Auch wenn die fünf Christen sind, ist das für die katholische Pfarrei in Pfersee keine Voraussetzung: Die zehnköpfige afghanische Familie im obersten Stockwerk ist ebenso muslimischen Glaubens wie eine weitere syrische Familie. Eine alleinerziehende Mutter mit polnischen und eine Familie mit rumänischen Wurzeln runden die noch junge Hausgemeinschaft ab. Wobei das Wort Hausgemeinschaft für den Pfarrer und seinen Kirchenpfleger Truckenmüller keine leere Phrase ist. „Wir wollen langfristige Mieter“, betont der ehemalige Banker, der im Sommer mithilfe der Bewohner aus dem verwilderten Garten ein ansehnliches Stück Grün geschaffen hat.
Den Kadars ist anzumerken, dass für sie die Wohnung eine gute Basis ist, in der neuen Heimat anzukommen. Vater Nadim ist Apotheker und hofft, mit noch besseren Deutschkenntnissen hier in seinem Beruf Fuß zu fassen. „Ich kann ja nichts anderes“, sagt er. Seine Frau Issaaf Daimous hat in der Heimat Tourismus studiert. Stolz sind die beiden auf ihre zwölfjährige Tochter Olga, die es bereits auf die Realschule geschafft hat und in der deutschen Sprache bewundernswert sattelfest ist.
Dass die Sprache der Schlüssel zur Integration ist, weiß auch die Rumäniendeutsche Liana Zaharie. Und so bringt sie einem Teil der 15 Kinder im Haus nicht nur Umgangsformen bei, sondern hilft ihnen auch bei den Hausaufgaben. „Jeden Tag kommt mindestens einer, mein Rekord war sieben.“Ein beheizbarer Raum im Keller steht für die Lektionen zur Verfügung. „Die Kinder brauchen viel Hilfe. Wie sollen sie sonst die Fragestellung in der Schule verstehen?“, sagt Liana Zaharie. Die 59-Jährige, deren hagerer Statur so manche Entbehrung anzusehen ist, will die Hausgemeinschaft nicht beschönigen. Es gebe Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede. „Aber wir finden zueinander.“Das kann sich dann auch im gemeinsamen Basteln von Weihnachtssternen widerspiegeln, bei dem sich ein afghanisches Mädchen besonders auszeichnete.
Pfarrer Götz legt Wert auf die Mischung im Haus, eine Unterkunft nur für Flüchtlinge mit Bleiberecht sei nie geplant gewesen. Ebenso wichtig ist ihm das Bild im Treppenhaus, das die Kirche Herz Jesu zeigt. „Die Mieter sollen wissen, wo das Haus herkommt“, sagt er. Auch wenn es für ihn und vor allem seinen Kirchenpfleger viel zu tun und regeln gebe, die beiden Männer bereuen den ungewöhnlichen Weg, den sie mit der Erbschaft eingeschlagen haben, keineswegs. „Bekämen wir nochmals eine passende Immobilie, wir würden es wieder machen.“Derweil reicht Issaaf Daimous nochmals die Blechdose mit den Plätzchen herum. Nadim Kadar schenkt starken Mokka nach, der nach Kardamom schmeckt. Auch wenn die Familie noch auf fremde Hilfe angewiesen ist, will sie ihren Gästen zumindest mit bescheidenen Mitteln Danke sagen.