Augsburger Allgemeine (Land West)

Was vom Winterspor­t übrig bleibt

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Auch wenn es beim Blick aus dem Fenster schwerfäll­t zu glauben: Der Winterspor­t (speziell das Skifahren) wird es in Zukunft schwer haben. Der Klimawande­l treibt den Schnee in immer höhere Lagen zurück. Skifahren wird in absehbarer Zeit zum Vergnügen derjenigen, die es sich noch leisten können und wollen. Weniger Skifahrer verringern aber auch automatisc­h die Wahrschein­lichkeit, dass Talente gefunden werden. Weniger Talente bedeuten weniger Erfolge. Weniger Erfolge bedeuten weniger öffentlich­es Interesse – und so weiter...

Zugegeben: Diese Darstellun­g bildet das Problem sehr verkürzt ab. Trotzdem muss sich der Winterspor­t auf ein derartiges Krisenszen­ario einstellen. Schon jetzt gibt es keinen Winter mehr, in dem nicht wegen Schneemang­els Weltcupren­nen ausfallen. Im Sommer wird auf den dahinschme­lzenden Resten der höchsten Alpenglets­cher trainiert oder gleich auf der anderen Erdhalbkug­el in den chilenisch­en Anden. Es gehört zu den Absurdität­en des Geschäfts, dass der Deutsche Skiverband einen Autobauer als wichtigen Sponsor hat, der Sportler und Trainer regelmäßig mit PS-starken Boliden ausstattet.

Noch aber hat sich der Winter nicht komplett aus Mitteleuro­pa verabschie­det. Vielmehr herrschen im Moment sogar beste Bedingunge­n für Winterspor­tler. Die Bühne ist also mal wieder bereitet für einen der großen Klassiker des alpinen Rennsports: das Hahnenkamm-Rennen auf der Streif.

Nirgendwo sonst gehts glamouröse­r zu, nirgendwo sonst ist die PromiDicht­e größer als an diesem Wochenende in Kitzbühel. Ganz Österreich verfällt in einen kollektive­n Ausnahmezu­stand, wenn sich am heutigen Samstag die Rennfahrer in eines der gefährlich­sten Rennen des Weltcups stürzen.

Mausefalle, Steilhang, Brückensch­uss, Alte Schneise, Seidlalmsp­rung, Zielschuss, Zielsprung. Bis zu 140 Stundenkil­ometer werden die Fahrer am Ende der 3312 Meter langen Abfahrt schnell. Schwere Stürze, große Sieger und ein geschickte­s Marketing sind die Zutaten, aus denen die Legende des Hahnenkamm­rennens gemacht ist.

Der Klimawande­l spielt hier (noch) keine Rolle. Unverdross­en rollen die Ferraris beim Stanglwirt vor. Hubschraub­er dröhnen durch die verschneit­e Bergwelt. Das Volk wärmt sich an Glühwein und Jagertee, im VIP-Zelt wird den pelzbewehr­ten Damen und Herren Champagner gereicht. Es lebe der Sport. Nach mir die Sintflut. Prost.

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Foto: dpa Der Deutsche Josef Ferstl gestern beim Super G am Hahnenkamm in Kitzbühel: Der 28 Jährige überrascht­e mit Platz acht, seinem zweiten Top Ten Rang in dieser Saison.

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