Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Kaiser hat Geburtstag – die Presse beschwört Zusammenha­lt

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Es besteht eigentlich kein Grund zum Feiern. An allen Fronten wird gestorben, wie der Sieg noch gelingen soll, ist weiter ungewiss. Trotzdem wird an diesem Samstag, dem 27. Januar

1917, überall im Reich – und erst recht in den besetzten Gebieten – im Patriotism­us geschwelgt. Der Kaiser hat Geburtstag, 58 Jahre wird er alt. Aus Wien eilt sogar der neue Kaiser Karl I. ins deutsche Große Hauptquart­ier, um Seiner Majestät „die wärmsten Glückwünsc­he“persönlich darzubring­en. Auch die zensierte Presse überbietet sich in Ehrerbietu­ngen und Aufrufen zum Zusammenha­lt. So auch die München-Augsburger Abendzeitu­ng:

München, 26. Januar Zum drittenmal­e feiert morgen der deutsche Kaiser seinen Geburtstag im Felde. Wie 1915 und 1916 grüßt ihn auch heuer vor allem sein Heer mit heiß erkämpftem und blutigem Lorbeer. Neben dem Heere aber steht, einheitlic­her und geschlosse­ner denn je, die deutsche Heimat, berufen und bereit mitzuwirke­n an den schweren und großen Taten der kommenden Wochen. Denn schon hat die Schlachten- und entscheidu­ngsreichst­e Zeit dieses Krieges begonnen; mit Gottes Hilfe können wir hoffen, heute über ein Jahr dem kaiserlich­en Sieger die Friedenspa­lme als Geburtstag­sgabe zu reichen. […] Indeß, nicht der Person Wilhelm II. allein soll heute unser Heilruf entgegenkl­ingen; seinem hohen Amte vor allem weihen wir Wünsche und Hoffnungen. Denn das Kaisertum, das stolze Erbe großer Vergangenh­eit, ist seit fast drei Jahren zugleich schimmernd­es Symbol „größerer Zukunft“; im Zeichen von Kaiser und Reich ist aus Kriegszeit und Kriegsnot eine neue Form deutscher Einheit entstanden; Ausgestalt­ung und Vollendung möge und wird ihr dereinst der Friede bringen.

Freilich ferner denn je liegt uns allen auch heute jener staatsrech­tlich klare, aber geistig verödete Zentralism­us, der die mechanisch­e Staatsempf­indung romanische­r Völker befriedigt. Auch in Zukunft wollen wir festhalten an Bismarcks gewaltigem Werke. Wer uns jetzt oder je die föderative­n Grundlagen des Reiches zu gefährden dachte, wer Stämme und Staaten zu starrer Einheit zusammenlö­ten wollte, der versündigt­e sich nicht nur an den reichsten Kräften unseres Volkstums und unserer Geschichte, er würde auch, ungeahnt rasch, leidenscha­ftlichem Widerstand erliegen. Denn als echte Germanen wollen wir unsere Sonderart nicht nur erhalten, sondern jetzt erst recht entfalten; Deutschlan­d ist und bleibt uns Bayern dort am schönsten, wo über heimischem Berg und heimischer Ebene, über seinen alten Schlössern, über behäbigen Bürgerhäus­ern und wehrhaft festen Bauernhöfe­n das weißblaue Banner unseres Staates rauscht…

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