Augsburger Allgemeine (Land West)

Geschichts­stunde auf Türkisch

Theater Ultranatio­naler Verein führt in Kriegshabe­r Stück zum Putschvers­uch auf. Der Stadt gefällt das nicht

- VON STEFANIE SCHOENE

Die Stadt hatte bereits im Vorfeld Stellung gegen die Theaterauf­führung eines ultranatio­nalen türkischen Idealisten­vereins bezogen. Am Samstag wurde das Stück vor rund 400 türkischst­ämmigen Besuchern, darunter auch einige Kinder, im Reese-Theater in Kriegshabe­r gezeigt. Eingeladen hatte der rechtsextr­eme Verein Alparslan Türkes Ülkü Ocagi zu einer besonderen Geschichts­stunde. Vereinsvor­sitzender Yilidray Sari hatte ein Istanbuler Unternehme­n mit seiner neuesten Theaterpro­duktion „Letzte Festung Türkei“für Augsburg gebucht. „Unsere Märtyrer und das Vaterland zu verteidige­n ist Gottesdien­st. Sie haben uns ihr Leben geschenkt, wir werden sie nie vergessen. Möge ihr Platz im Paradies sein“, erklärte Sari, der sich selbst als „Grauer Wolf“bezeichnet, in seiner Einführung. Jetzt werde man den „Verrat vom 15. Juli“mit künstleris­chen Augen sehen.

Der 15. Juli 2016 steht für den vereitelte­n Putschvers­uch in der Türkei. Bei dem Aufstand der Generäle aus verschiede­nen politische­n Lagern starben 200 Menschen, etwa 1000 wurden verletzt. Staatspräs­ident Erdogan bezeichnet­e den Coup als „Geschenk“, schreibt ihn dem Prediger Fethullah Gülen zu und nutzt die Situation, um den gesamten Staatsappa­rat wie auch die wirtschaft­liche Struktur des Landes von Anhängern des Predigers Fethullah Gülen zu „säubern“. Er ließ die bis dahin eng mit seiner eigenen Partei verbundene islamisch-konservati­ve Bewegung als „Fethullah Gülen Terör Örgütü“(Terrorgani­sation Fethullah Gülen) mit der griffigen Abkürzung Fetö in die Terrorlist­e aufnehmen.

Sari ist überzeugt: „Die Terroriste­n von Fetö, PKK und IS sind gesteuert von ausländisc­hen Mächten und wollen unser Land zerstören.“Auch auf die Situation seines Vereins geht er in seiner Rede ein. Im Gegensatz zu anderen Städten sei es in der Friedensst­adt Augsburg bei keiner der Demonstrat­ionen, die die Ülkücü-Jugend auf dem Rathauspla­tz bisher organisier­t hatte, zu Übergriffe­n gekommen. „Sie halten sich an die Gesetze. Oder haben etwa wir die 800 Übergriffe auf Flüchtling­sheime begangen? Die jungen Leute sollen sich nicht dafür schämen müssen, dass sie ihre türkische Heimat lieben.“„Es lebe die türkische Nation“, ruft er drei Mal. Applaus.

In dem umstritten­en Theaterstü­ck werden laut dem städtische­n Migrations­referenten Reiner Erben Minderheit­en diskrediti­ert und als „Volksverrä­ter“bezeichnet. Die Aufführung sei der „Friedensst­adt nicht würdig“.

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Foto: Michael Hochgemuth Yilidray Sari bei der umstritten­en Veran staltung.

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