Augsburger Allgemeine (Land West)
Geschichtsstunde auf Türkisch
Theater Ultranationaler Verein führt in Kriegshaber Stück zum Putschversuch auf. Der Stadt gefällt das nicht
Die Stadt hatte bereits im Vorfeld Stellung gegen die Theateraufführung eines ultranationalen türkischen Idealistenvereins bezogen. Am Samstag wurde das Stück vor rund 400 türkischstämmigen Besuchern, darunter auch einige Kinder, im Reese-Theater in Kriegshaber gezeigt. Eingeladen hatte der rechtsextreme Verein Alparslan Türkes Ülkü Ocagi zu einer besonderen Geschichtsstunde. Vereinsvorsitzender Yilidray Sari hatte ein Istanbuler Unternehmen mit seiner neuesten Theaterproduktion „Letzte Festung Türkei“für Augsburg gebucht. „Unsere Märtyrer und das Vaterland zu verteidigen ist Gottesdienst. Sie haben uns ihr Leben geschenkt, wir werden sie nie vergessen. Möge ihr Platz im Paradies sein“, erklärte Sari, der sich selbst als „Grauer Wolf“bezeichnet, in seiner Einführung. Jetzt werde man den „Verrat vom 15. Juli“mit künstlerischen Augen sehen.
Der 15. Juli 2016 steht für den vereitelten Putschversuch in der Türkei. Bei dem Aufstand der Generäle aus verschiedenen politischen Lagern starben 200 Menschen, etwa 1000 wurden verletzt. Staatspräsident Erdogan bezeichnete den Coup als „Geschenk“, schreibt ihn dem Prediger Fethullah Gülen zu und nutzt die Situation, um den gesamten Staatsapparat wie auch die wirtschaftliche Struktur des Landes von Anhängern des Predigers Fethullah Gülen zu „säubern“. Er ließ die bis dahin eng mit seiner eigenen Partei verbundene islamisch-konservative Bewegung als „Fethullah Gülen Terör Örgütü“(Terrorganisation Fethullah Gülen) mit der griffigen Abkürzung Fetö in die Terrorliste aufnehmen.
Sari ist überzeugt: „Die Terroristen von Fetö, PKK und IS sind gesteuert von ausländischen Mächten und wollen unser Land zerstören.“Auch auf die Situation seines Vereins geht er in seiner Rede ein. Im Gegensatz zu anderen Städten sei es in der Friedensstadt Augsburg bei keiner der Demonstrationen, die die Ülkücü-Jugend auf dem Rathausplatz bisher organisiert hatte, zu Übergriffen gekommen. „Sie halten sich an die Gesetze. Oder haben etwa wir die 800 Übergriffe auf Flüchtlingsheime begangen? Die jungen Leute sollen sich nicht dafür schämen müssen, dass sie ihre türkische Heimat lieben.“„Es lebe die türkische Nation“, ruft er drei Mal. Applaus.
In dem umstrittenen Theaterstück werden laut dem städtischen Migrationsreferenten Reiner Erben Minderheiten diskreditiert und als „Volksverräter“bezeichnet. Die Aufführung sei der „Friedensstadt nicht würdig“.