Augsburger Allgemeine (Land West)
Bissiger Bühnenspaß mit Starbesetzung
Theater Die Beziehungskomödie „Die Wunderübung“glänzt in Neusäß durch hochkarätige Schauspieler. Und auch unter den Gästen ist Prominenz
Ein ehelicher Rosenkrieg, der lautstark vor einem pädagogisch wertvollen Paartherapeuten ausgetragen wird, mag im ersten Moment ein schwerwiegendes Drama voller intellektueller Moral vermuten. Doch von der ersten Minute an zeigte sich in Neusäß, dass der Zweiakter „Die Wunderübung“von Daniel Glattauer eine herzerfrischende Komödie ist, die nicht zuletzt durch ihre hochkarätige Besetzung die Stadthalle vollständig gefüllt hatte. Obwohl nur drei Personen auf der Bühne ihr bissiges Unwesen trieben, war hier doch ein kleines „Who’s Who“der deutschen Fernsehkultur mitzuerleben: Michaela May (Monaco Franze, Kir Royal), Michael Roll (Tatort, Derrick) und Ingo Naujoks (Der Bergdoktor, Forsthaus Falkenau) haben sich zu einem grotesken Trio Infernale zusammengefunden, um einen Theaterspaß ten Rollentausch von Frau und Mann ihren darstellerischen Höhepunkt erreichten.
Denn gerade hier zeigte sich die jahrelange Schauspielerfahrung der versierten Bühnenkünstler: Die giftigen Dialoge wurden mit einer solchen Glaubhaftigkeit ins Publikum transportiert, als würde der Ehekrach tatsächlich gerade mitten in Neusäß vonstatten gehen, und der anfangs noch sittsame Meinungsaustausch entwickelte sich schnell zu einem tosenden Kriegsschauplatz voller verbaler Kanonenschüsse, die sich zur rundum vergnüglichen Beziehungsfarce emporsteigerten.
Optisch angereichert wurde die verbale Schlammschlacht zusätzlich durch den äußeren Rahmen der Inszenierung: Die leicht nach vorne gekippte Bühne sorgte nicht nur für eine optimale Sicht der Zuschauer, sondern schien unterschwellig auch die aus der Bahn geratene Harmonie der Protagonisten widerzuspiegeln. Die Spielkulisse als Ganzes ähnelte dabei einem zerbrechlichen japanischen Papiergebäude, auf welchem geschickt eingesetzte Beleuchtungseffekte die menschlichen Emotionen durchweg mit den passenden Farbstimmungen untermalten. Und durch die Unzahl an aufgestellten Sitzgelegenheiten saßen die Handlungsfiguren auch in den gefestigteren Momenten buchstäblich immer zwischen den Stühlen.
Wie es letztendlich mit den beiden Streithammeln weiterging? Der Wendepunkt der Handlung kam unmittelbar nach der Pause: Der biedere Therapeut wird unverhofft von seiner eigenen Frau verlassen, was das Bühnenchaos nun in eine vollkommen andere Richtung treibt: Das vermeintlich unheilbar entzweite Ehepaar findet kurzerhand wieder zueinander und kämpft weiter – aber nicht mehr gegeneinander, sondern gemeinsam gegen die unerträgliche Resignation seines hochnäsigen Beziehungsspezialisten. Doch ganz am Ende ist die Überraschung nochmals groß, denn nicht alles ist so, wie es anfangs schien ...
„Die Wunderübung“offenbarte sich unterm Strich als eine klug durchdachte Maskerade seitens eines großartigen Schriftstellers, die immer wieder neue Fragen aufgeworfen hatte: Was ist tatsächlich dran an den Klischees von Frauen, die nicht zuhören, und Männern, die nicht zu Wort kommen? Darf auch ein Psychologe Gefühle zeigen? Was ist pädagogische Brillanz und was am Ende doch nur ausgedachter Schwachsinn? Sicher ist: So bissig wie Michaela May in diesem Stück vermag wohl kaum jemand anderer das Publikum zu begeistern. Überzeugt von der Inszenierung zeigte sich zu guter Letzt auch Schauspielerin Jutta Speidel, die sich unauffällig unter die Zuschauer gemischt hatte: „Gut“, urteilte sie mit einem strahlenden Lächeln.