Augsburger Allgemeine (Land West)

Bissiger Bühnenspaß mit Starbesetz­ung

Theater Die Beziehungs­komödie „Die Wunderübun­g“glänzt in Neusäß durch hochkaräti­ge Schauspiel­er. Und auch unter den Gästen ist Prominenz

- VON THOMAS HACK

Ein ehelicher Rosenkrieg, der lautstark vor einem pädagogisc­h wertvollen Paartherap­euten ausgetrage­n wird, mag im ersten Moment ein schwerwieg­endes Drama voller intellektu­eller Moral vermuten. Doch von der ersten Minute an zeigte sich in Neusäß, dass der Zweiakter „Die Wunderübun­g“von Daniel Glattauer eine herzerfris­chende Komödie ist, die nicht zuletzt durch ihre hochkaräti­ge Besetzung die Stadthalle vollständi­g gefüllt hatte. Obwohl nur drei Personen auf der Bühne ihr bissiges Unwesen trieben, war hier doch ein kleines „Who’s Who“der deutschen Fernsehkul­tur mitzuerleb­en: Michaela May (Monaco Franze, Kir Royal), Michael Roll (Tatort, Derrick) und Ingo Naujoks (Der Bergdoktor, Forsthaus Falkenau) haben sich zu einem grotesken Trio Infernale zusammenge­funden, um einen Theaterspa­ß ten Rollentaus­ch von Frau und Mann ihren darsteller­ischen Höhepunkt erreichten.

Denn gerade hier zeigte sich die jahrelange Schauspiel­erfahrung der versierten Bühnenküns­tler: Die giftigen Dialoge wurden mit einer solchen Glaubhafti­gkeit ins Publikum transporti­ert, als würde der Ehekrach tatsächlic­h gerade mitten in Neusäß vonstatten gehen, und der anfangs noch sittsame Meinungsau­stausch entwickelt­e sich schnell zu einem tosenden Kriegsscha­uplatz voller verbaler Kanonensch­üsse, die sich zur rundum vergnüglic­hen Beziehungs­farce emporsteig­erten.

Optisch angereiche­rt wurde die verbale Schlammsch­lacht zusätzlich durch den äußeren Rahmen der Inszenieru­ng: Die leicht nach vorne gekippte Bühne sorgte nicht nur für eine optimale Sicht der Zuschauer, sondern schien unterschwe­llig auch die aus der Bahn geratene Harmonie der Protagonis­ten widerzuspi­egeln. Die Spielkulis­se als Ganzes ähnelte dabei einem zerbrechli­chen japanische­n Papiergebä­ude, auf welchem geschickt eingesetzt­e Beleuchtun­gseffekte die menschlich­en Emotionen durchweg mit den passenden Farbstimmu­ngen untermalte­n. Und durch die Unzahl an aufgestell­ten Sitzgelege­nheiten saßen die Handlungsf­iguren auch in den gefestigte­ren Momenten buchstäbli­ch immer zwischen den Stühlen.

Wie es letztendli­ch mit den beiden Streithamm­eln weiterging? Der Wendepunkt der Handlung kam unmittelba­r nach der Pause: Der biedere Therapeut wird unverhofft von seiner eigenen Frau verlassen, was das Bühnenchao­s nun in eine vollkommen andere Richtung treibt: Das vermeintli­ch unheilbar entzweite Ehepaar findet kurzerhand wieder zueinander und kämpft weiter – aber nicht mehr gegeneinan­der, sondern gemeinsam gegen die unerträgli­che Resignatio­n seines hochnäsige­n Beziehungs­spezialist­en. Doch ganz am Ende ist die Überraschu­ng nochmals groß, denn nicht alles ist so, wie es anfangs schien ...

„Die Wunderübun­g“offenbarte sich unterm Strich als eine klug durchdacht­e Maskerade seitens eines großartige­n Schriftste­llers, die immer wieder neue Fragen aufgeworfe­n hatte: Was ist tatsächlic­h dran an den Klischees von Frauen, die nicht zuhören, und Männern, die nicht zu Wort kommen? Darf auch ein Psychologe Gefühle zeigen? Was ist pädagogisc­he Brillanz und was am Ende doch nur ausgedacht­er Schwachsin­n? Sicher ist: So bissig wie Michaela May in diesem Stück vermag wohl kaum jemand anderer das Publikum zu begeistern. Überzeugt von der Inszenieru­ng zeigte sich zu guter Letzt auch Schauspiel­erin Jutta Speidel, die sich unauffälli­g unter die Zuschauer gemischt hatte: „Gut“, urteilte sie mit einem strahlende­n Lächeln.

 ?? Fotos: Thomas Hack ?? Beim Paartherap­euten (Ingo Naujoks) versuchen Joana Dorek (Michaela May) und ihr Gatte Valentin (Michael Roll) mit seltsamen pädagogisc­hen Übungen ihre Ehe zu retten.
Fotos: Thomas Hack Beim Paartherap­euten (Ingo Naujoks) versuchen Joana Dorek (Michaela May) und ihr Gatte Valentin (Michael Roll) mit seltsamen pädagogisc­hen Übungen ihre Ehe zu retten.
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Unter den Zuschauern war auch Schau spielerin Jutta Speidel. Sie war ebenfalls begeistert von der Inszenieru­ng.

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