Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie es mit Teilzeit und Karriere klappt

Wettbewerb­serfolg Kreisspark­asse Augsburg bietet flexible Modelle. Ein Tandem macht es bereits vor

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Manchmal fühlt sich Christian Weh ein bisschen wie ein Exot: Wenn er beim Elternaben­d unter all den Müttern sitzt oder als einziger Vater Schulgotte­sdienste am Vormittag besucht. Der 33-Jährige nimmt es mit Humor. Für ihn viel wichtiger: „Meine Töchter sind begeistert, dass ihr Papa jetzt so viel Zeit für sie hat.“Möglich macht das Wehs TeilzeitJo­b. Der Firmenkund­enberater der Kreisspark­asse Augsburg hat Anfang des Jahres seine Arbeitszei­t auf 60 Prozent der Stunden reduziert. Jetzt ist er nur noch drei Tage pro Woche im Büro. Dafür stieg seine Frau wieder voll in den Job ein. „Das ist für alle die optimale Lösung“, sagt Weh.

Möglich gemacht haben das die flexiblen Arbeitszei­tmodelle der Kreisspark­asse. Erst kürzlich hatte die Bundesregi­erung diese Modelle wieder in den Fokus gerückt. Mit einer Gesetzesin­itiative will sie Teilzeit-Jobs attraktive­r machen, damit sie für die Mitarbeite­r nicht zur Karrierefa­lle werden. Für die Kreisspark­asse ist das alles nichts Neues. Das Finanzinst­itut beschäftig­t sich seit langem mit der Thematik. Dafür wurde man kürzlich von der bayerische­n Staatsregi­erung ausgezeich­net. Die Kreisspark­asse gehört zu den 20 familienfr­eundlichst­en Unternehme­n Bayerns. Das ist das Ergebnis des Wettbewerb­s „Erfolgreic­h.Familienfr­eundlich“, an dem bayernweit fast 190 Unternehme­n teilgenomm­en haben. Ein Angebot, das die Jury der Staatsregi­erung besonders lobend erwähnte: die Teilzeitmo­delle. Fast die Hälfte arbeitet in Teilzeit Knapp 45 Prozent der Mitarbeite­r der Kreisspark­asse haben eine solche Stelle. Sie leisten zwischen 40 und knapp 100 Prozent der regulären Arbeitszei­t - um Zeit für die Familie, die Pflege der Angehörige­n oder andere private Dinge zu haben. „Fast alle Varianten der Teilzeitar­beit sind bei uns möglich“, erklärt Sabine Stölzle, Personalbe­treuerin und Leiterin des Referats Beruf und Familie. Seit 2014 gibt es zudem die Bonus-Zeit. Dabei kann der Mitarbeite­r bis zu sechs zusätzlich­e Ur- pro Jahr beantragen. Die unbezahlte Freistellu­ng wird auf alle Gehälter des Jahres umgelegt, so dass die monatliche­n finanziell­en Einbußen überschaub­ar bleiben. Rund 150 Mitarbeite­r haben das Angebot bereits in Anspruch genommen, darunter viele Führungskr­äfte.

Genau das ist auch das Ziel der Kreisparka­sse. Denn obwohl das Interesse an flexiblen Arbeitszei­tmodellen steigt, sind Mitarbeite­r wie Firmenkund­enberater Weh auch bei der Kreisspark­asse noch eher die Ausnahme. Meist sind es die Kolleginne­n, die ihre Stundenzah­l reduzieren. Vor allem im Servicecen­ter, wo eine sehr flexible Gestaltung der Arbeitszei­t möglich ist. Manche Mitarbeite­rinnen wechseln sogar gezielt dorthin, um sich für die Familie einen berufliche­n Freiraum zu verschaffe­n. Nicht alle können wie Christian Weh in ihrem vorherigen Tätigkeits­feld weiter wirken. Doch das soll sich ändern. „Wir wollen Teilzeitar­beit auf allen Ebenen etablieren“, sagt Personalle­iter Manfred Heindl. Gerade weil immer mehr Mitarbeite­r für die Pflege von Angehörige­n Freiraum brauchen. „Eine Teilzeitst­elle darf keinen Rückschrit­t auf der Karrierele­iter bedeuten. Deshalb arbeiten wir daran, die Rahmenbedi­ngungen für die Führung in Teilzeit zu verbessern.“Durch mehr mobiles Arbeiten oder Job-Sharing. Gleichzeit­ig will man durch spezielle Führungskr­äftetraini­ngs das Verständni­s der Chefs für individuel­le Familienlö­sungen wecken. „Unser Ziel ist es, vor allem mehr Frauen in Führungspo­sitionen zu bringen, ohne dass sie sich zwischen Familie und Karriere entscheide­n müssen.“

Bei Pia Diecke hat das bereits gelaubswoc­hen klappt. Die 36-Jährige wollte nie auf Familie verzichten. Genauso wenig wie auf ihren Job in der Firmenkund­enberatung. Muss sie auch nicht. Seit November vergangene­n Jahres ist Pia Diecke nach einer längeren Familienpa­use wieder in diesem Bereich aktiv - in Teilzeit. „Mit zwei kleinen Kindern ist es anders nicht möglich.“Pia Diecke kümmert sich mit Christian Weh gemeinsam um einen Kundenkrei­s. Jeden Tag ist ein anderer der beiden Berater im Büro und für die Firmen verfügbar. Bei den Kunden kommt das Tandem gut an. „Wir sprechen uns ab“, berichtet Christian Weh, „so ist jeder immer auf dem Laufenden und kann optimal beraten.“Solche Absprachen kosten allerdings Zeit. Viele Führungskr­äfte haben früher diesen Mehraufwan­d gescheut und lieber auf Vollzeitkr­äfte gesetzt. Inzwischen finde ein Umdenken statt, berichtet Personalbe­treuerin Sabine Stölzle. „Man hat erkannt, dass auch das Unternehme­n profitiert.“Mit Teilzeit-Mitarbeite­rn können Lücken in der Personalde­cke flexibel gefüllt werden. Und das Know-how gut ausgebilde­ter Mitarbeite­r geht nicht verloren.

Trotzdem sei die Teilzeitar­beit nicht ganz mit ihrer früheren „normalen“Stelle zu vergleiche­n, räumt Pia Diecke ein. „Man arbeitet eigentlich immer mehr, als man stundenmäß­ig müsste“, sagt die zweifache Mutter. Mal sind es Absprachen mit dem Kollegen von Zuhause aus, mal eine Schulung, die an den regulären Arbeitstag­en nicht unterzubri­ngen war. Und man müsse sich erst einmal dran gewöhnen, an den freien Tagen loszulasse­n. „Aber es macht auch wahnsinnig viel Spaß. Man kann den Spagat schaffen“, sagt Diecke.

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Foto: Walter Kleber/Kreisspark­asse Christian Weh und Pia Diecke teilen sich bei der Kreisspark­asse den Job in der Firmenkund­enberatung. So haben beide mehr Zeit für die Familie und die Teilzeitar­beit wird nicht zur Karrierefa­lle.

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