Augsburger Allgemeine (Land West)

Meint er es ernst?

Kirche Der Papst will Gerechtigk­eit für die Missbrauch­sopfer. Doch es bleiben Zweifel

- VON JULIUS MÜLLER MEININGEN

Rom

Kein Papst ist mit Missbrauch­stätern in der katholisch­en Kirche so hart ins Gericht gegangen wie Franziskus. Er nannte die Pädophilie im Klerus eine „Monstrosit­ät“, verglich Missbrauch mit einer „schwarzen Messe“. Bischöfe, die sexuellen Missbrauch durch Priester verheimlic­hen, sollten zurücktret­en, forderte der Papst. Franziskus richtete eine Kommission ein, die den Kinderschu­tz in der Kirche fördern soll. Und er kündigte ein Tribunal an, in dem Bischöfe für Vertuschun­g zur Rechenscha­ft gezogen werden sollten. Es klang wie eine Revolution.

Nur was ist daraus geworden? Tatsächlic­h hat es Fortschrit­te gegeben. Ein echtes Vatikanger­icht für Bischöfe wurde zwar nicht geschaffen. Aber seit September gibt es zumindest eine rechtliche Handhabe gegen Bischöfe, die ihre Sorgfaltsp­flicht verletzen. Die Entscheidu­ngen darüber fällen Kardinäle und letztendli­ch der Papst hinter verschloss­enen Türen. Entlassung­en infolge des neuen Gesetzes sind seither allerdings nicht bekannt geworden. Im Gegenteil. Der italienisc­he Enthüllung­sjournalis­t Emiliano Fittipaldi weist in seinem neuen Buch „Lussuria“(Unzucht) darauf hin, dass die Kirche weiterhin ein Glaubwürdi­gkeitsprob­lem hat.

Immer noch schützen viele Bischöfe lieber die Täter, als zur Aufklärung beizutrage­n. Und wenn es um geschätzte Mitarbeite­r geht, legt Franziskus andere Maßstäbe an. Noch immer ist die Liste der einflussre­ichen Vertuscher lang und wirft vor allem eine Frage auf: Will der Papst wirklich ein neues Kapitel bei der Bekämpfung des Missbrauch­s in der katholisch­en Kirche aufschlage­n? Von einem Rückgang der Missbrauch­sfälle in der Kirche kann jedenfalls nicht die Rede sein. 1200 Anzeigen sind laut Fittipaldi in den ersten drei Amtsjahren von Franziskus bei der römischen Glaubensko­ngregation eingegange­n – doppelt so viele wie von 2005 bis 2009. „Dieser Trend zeigt, dass das Krebsgesch­wür keineswegs entfernt worden ist“, schreibt Fittipaldi.

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Foto: dpa Papst Franziskus: Revolution oder Lip penbekennt­nis?

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