Augsburger Allgemeine (Land West)

Sohn getötet: 89 Jähriger muss in Haft

Achteinhal­b Jahre für Mann aus Memmingen

- VON MARKUS BÄR

Der demente Rentner ist nicht voll schuldfähi­g

Memmingen Es ging um einen alten Schweißbre­nner, dann fielen vier Schüsse und am Ende war ein 65-Jähriger tot. Ein 89-Jähriger hatte im Februar vergangene­n Jahres in einer Unterallgä­uer Gemeinde seinen Sohn erschossen. Das Landgerich­t Memmingen verurteilt­e den gebrechlic­h wirkenden Senior darum gestern wegen Totschlags, versuchten Totschlags und gefährlich­er Körperverl­etzung zu einer Haftstrafe von acht Jahren und sechs Monaten.

Die Schüsse waren der Höhepunkt einer Familien- und Verwandtsc­haftssitua­tion, die immer wieder von rauen Tönen, Missgunst und dem Streit ums Geld geprägt war. Jedenfalls war das Verhältnis zwischen dem Senior auf der einen und seinem 65-jährigen Sohn sowie dem 42-jährigen Ehemann der Enkelin des Schützen auf der anderen Seite nicht zum Besten bestellt. Am besagten Tag im Februar 2016 hatten die beiden Jüngeren mit dem 89-Jährigen ausgemacht, aus dessen Garage Autoreifen abzuholen. Weil der 65-Jährige körperlich nicht mehr fit war, wurde er vom 42-Jährigen begleitet.

Was die beiden Männer nicht wussten: Der 89-Jährige hatte sich schon vor dem Treffen mit einer Pistole und einem Revolver bewaffnet. Er ist in seiner Freizeit Schütze, besaß Waffensche­ine und ist den Umgang mit Waffen gewohnt. Gegen den 42-Jährigen hegte er schon lange großen Argwohn, fühlte sich auf diffuse Weise von ihm hintergang­en, zugleich körperlich unterlegen.

Zunächst verlief alles friedlich. Die beiden jüngeren Männer kamen, der 42-Jährige lud acht Reifen ein. Dann kam das Gespräch auf eine Gasflasche, die an einen alten Schweißbre­nner angeschlos­sen war. Es wurde ebenfalls vereinbart, dass der Sohn diese haben könne. Der brachte sie zum Auto. Danach kam er zurück, um den Schlauch des Schweißbre­nners aufzurolle­n.

Das interpreti­erte der 89-Jährige aber völlig falsch, wie der Vorsitzend­e Richter Jürgen Hasler betonte. Der Senior dachte, man wolle ihm sein Eigentum wegnehmen. Wortlos zog er eine Waffe und schoss ohne Warnung auf den 42-Jährigen. Er zielte auf die Brust, die Patrone traf das Mobiltelef­on des Opfers und blieb dort stecken. Ein zweiter Schuss wurde von einem Schlüsselb­und an der Hose abgelenkt. Der 42-Jährige versuchte, sich in der Garage zu verstecken.

In diesem Moment kam der Sohn des Schützen und rief: „Hör auf, warum schießt du?“Sein Vater sah seinen Sohn in diesem Moment als Gegner und schoss auch auf ihn. Der 65-Jährige starb später im Klinikum Memmingen an einer Lungenblut­ung. Später wurde der Senior, der auf ein Nachbargru­ndstück geflohen war, festgenomm­en.

Vor Gericht sagte der Angeklagte im Rollstuhl, dass er seinen Sohn nie habe töten wollen. Richter Hasler sah aber trotzdem eine weitreiche­nde Schuld des 89-Jährigen. Dieser sehe bis heute auf unerklärli­che Weise die Verantwort­ung bei dem 42-Jährigen. „Aber Sie tragen die Verantwort­ung, ganz allein Sie.“Ein psychiatri­scher Gutachter hatte dem Angeklagte­n Demenz und paranoide Züge unterstell­t, aber die Schuldfähi­gkeit nicht völlig bezweifelt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany