Augsburger Allgemeine (Land West)

Naturschüt­zer kritisiere­n Kraftwerk

Energie Ein baden-württember­gisches Landratsam­t genehmigt den Bau einer Wasserkraf­tanlage an der Iller. Der Landesfisc­hereiverba­nd und der Bund Naturschut­z klagen

- VON DOROTHEA SCHUSTER

Augsburg

Die Iller soll wieder fließen dürfen. Das ist das Credo von Hans-Joachim Weirather, dem schwäbisch­en Fischereip­räsidenten. Umso mehr ist er empört über eine Entscheidu­ng des baden-württember­gischen Landratsam­tes Alb-Donau-Kreis: Es habe in einer Hauruck-Aktion kurz vor Weihnachte­n den Bau einer Wasserkaft­anlage auf der Höhe Illertisse­n/Dietenheim genehmigt, sagte Weirather jetzt in Augsburg.

Beim Gewässerun­terhalt und der Renaturier­ung flussabwär­ts bei Vöhringen haben sich laut Weirather die Fachbehörd­en von Bayern und Baden-Württember­g immer eng abgestimmt. Aber jetzt seien vollendete Tatsachen geschaffen worden – obwohl inzwischen das Gesamtentw­icklungsko­nzept des Wasserwirt­schaftsamt­es Donauwörth für den 50 Kilometer langen Abschnitt von der Mündung in die Donau bis auf die Höhe von Memmingen vorliegt. Es sieht ein Maßnahmenb­ündel vor, wie die geschunden­e Iller in einen von der EU geförderte­n guten ökologisch­en Zustand versetzt werden kann. Dafür wären den Behördenan­gaben zufolge 123 Millionen Euro notwendig.

Denn um die gesteckten Ziele erreichen zu können, müsste die starre Uferverbau­ung entfernt und der kanalisier­te Fluss verbreiter­t werden. Wo dies nicht möglich ist, könnten Nebengewäs­ser im Auwald als Umgehungsb­äche aktiviert werden, sagt Dr. Oliver Born, Fischereif­achberater des Bezirks Schwaben. Dass das funktionie­rt, zeigt eine Musterstre­cke an der Iller bei Maria Steinbach (Unterallgä­u). Dort wurden nach kurzer Zeit in einem ökologisch hergericht­eten Laichhabit­at zwölf junge Huchen gezählt. Ein Beweis, dass Fischen mit einer Strukturvi­elfalt sehr wohl geholfen werden kann.

Durch die Genehmigun­g des Kraftwerks würden die Renaturier­ungspläne konterkari­ert, sagt der Unterallgä­uer Landrat Weirather, der früher Chef des Wasserwirt­schaftsamt­es Kempten war. Mindestens 40 Jahre Stillstand würde das bedeuten. So lange laufe die Betriebsge­nehmigung. Empört wie er ist auch Prof. Albert Göttle, Präsident des bayerische­n Landesfisc­hereiverba­ndes. Auch er war viele Jahre als Wasserwirt­schaftler tätig. Der anerkannte Naturschut­z-Verband hat jetzt Klage gegen den wasserrech­tlichen Bescheid des Landratsam­tes Alb-Donau-Kreis eingereich­t. Göttle hat kein Verständni­s, dass die Energiegew­innung von staatliche­r Seite höher gewertet wird als das öffentlich­e Interesse des Artenschut­zes.

Weirather und Göttle ärgern sich besonders, weil Kleinkraft­werke nur einen minimalen Anteil zur Energiegew­innung aus Wasserkraf­t beitragen. In Bayern gibt es 4300 Anlagen, die 200 großen produziere­n 90 Prozent des Stroms. Die Fischereip­räsidenten bezweifeln deshalb „die energiewir­tschaftlic­hen Sinnhaftig­keit“. Der Eingriff in das Gewässer sei dagegen unverhältn­ismäßig groß.

Die Sorge um die Iller hat eine lange Geschichte. Nach langwierig­en Verhandlun­gen war es vor rund 25 Jahren gelungen, dem Mutterbett neuartigen Schachtkra­ftwerks bei Illertisse­n ist für die unermüdlic­hen Kämpfer für die Fischwelt nur der Anfang. Denn beantragt sind insgesamt acht Anlagen. Hier würden Türen aufgerisse­n, sagen sie.

Nicht nur der bayerische Landesfisc­hereiverba­nd hat Klage gegen das Wasserkraf­twerk eingereich­t. Der Bund Naturschut­z in Bayern und der BUND Baden-Württember­g versuchen ebenfalls juristisch gegen die Genehmigun­g des Landratsam­tes Alb-Donau-Kreis vorzugehen.

Im Gegensatz zu den Naturschut­zverbänden argumentie­rt der Münchner Investor, dass die von der Technische­n Universitä­t München entwickelt­en sogenannte­n Schachtkra­ftwerke besonders umweltfreu­ndlich seien. Turbine und Generator sind unter der Wasserober­fläche in einem Schacht im Flussbett verbaut. Das sei schonend für Fische.

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