Augsburger Allgemeine (Land West)

Abgelegene­s Abenteuer

Bei den Muschelfis­chern: Das Perlenwund­er von Westaustra­lien

- VON MICHAEL JUHRAN

Die Sonne ist hinter dem Horizont verschwund­en, doch noch immer sitzen Hunderte Touristen am Mangrovens­trand von Broome in Nordwestau­stralien. Alle schauen aufs Meer. Langsam schiebt sich der goldgelbe Mond über das schwarze Wasser und erzeugt wenige Minuten später ein spektakulä­res Phänomen: Die Strahlen spiegeln sich sowohl im Meer als auch auf dem Watt, so als werfe der Mond eine Strickleit­er aus. Diese „Staircase to the Moon“gibt es nur rund um die Vollmondze­it zwischen Mai und Oktober bei extremer Ebbe zu bestaunen. Bis zu 13 Höhenmeter zieht sich das Meer zurück. Für die Pinctada maxima, die silberlipp­ige Perlmusche­l, bildet der größte Tidenhub der südlichen Hemisphäre das Lebenselix­ier. Die bis zu 30 Zentimeter große Muschel erreicht durch die vielen Nährstoffe, die von der extremen Strömung angespült werden, eine besondere Größe und Stärke. Die Muschel machte die Stadt Broome zur Weltperlen­metropole. „Lange vor der europäisch­en Besiedlung nutzten meine Vorfahren die Muscheln als Tauschmitt­el im Handel“, berichtet Neville Poelina. Er lebt rund 200 Kilometer nordöstlic­h von Broome im Outback und hat selbst 22 Jahre als Taucher in der Perlenindu­strie gearbeitet. Kurz vor der Jahrhunder­twende lieferte Broome etwa 80 Prozent der Pinctada maxima weltweit, erfährt man im historisch­en Museum von Broome. Rund 400 Spezialsch­iffe für das Muscheltau­chen waren bis zum Ersten Weltkrieg im Einsatz, um die Riesenmusc­heln mit dem wertvollen Perlmutt zutage zu fördern. „Die Chance, dabei eine Perle zu finden, lag bei eins zu 5000“, berichtet Poelina. Aber das Perlmutt war so wertvoll, dass Broome zu Wohlstand gelangte. Knöpfe, Bestecke und Broschen aus BroomePerl­mutt waren in der ganzen Welt gefragt. Man kann sie noch immer auf dem Markt erstehen. Erst in den 1950er-Jahren begann man in Broome mit der Perlenzuch­t. Die Taucher sammelten die Riesenmusc­heln fortan vom Meeresgrun­d, um sie in Zuchtfarme­n zu bringen. Dort wurden sie mit einem Nukleus bestückt, der langsam zu einer Perle heranwächs­t.

Perlen, die verzücken

Um mehr über die Geschichte zu erfahren, hilft eine Wanderung. Ein Lehrpfad führt zum historisch­en Museum, passiert am Strand eine Reihe von Schautafel­n und ein Denkmal, steuert mit dem Pearl Lugger ein weiteres kleines Museum an, um schließlic­h am Pier zu enden. Einige Meter weiter steht eine Galerie, in der einige der schönsten Perlen der Welt zu bewundern und zu kaufen sind. Die Arbeit in der Perlenindu­strie brachte Poelina genug Geld für den Start als Aborigines-Touranbiet­er im Tourismus. Mit seiner Frau Joanne führt er jetzt Gäste aus aller Welt durch die Region. Von den Tombstone Flats mit Tausenden von Termitenhü­geln geht es durch rote und ockerfarbe­ne Wüstengebi­ete. Dann ändert sich das Landschaft­sbild hin zu dichterem Baumbewuch­s mit weißstämmi­gem Eukalyptus, australisc­hen Teebäumen, Feigen und Lianen. Neville Poelina hält immer wieder an und erklärt den medizinisc­hen Nutzen von Blüten, Früchten, Blättern, Rinden und Wurzeln. „Das ist meine Apotheke“, sagt er lächelnd. Für den Sundowner begibt er sich mit seinem Geländewag­en an den SkeletonSe­e. Jetzt sind auch Tochter Angelina, 9, und Sohn Simon, 11, dabei, die tagsüber am Computer via Satellit Schulunter­richt hatten. Simon eifert seinem Vater nach, kennt bereits über 100 Pflanzenar­ten, fährt den Pick-up und kann mit dem Gewehr umgehen. Nun wirft er geschickt ein Fangnetz aus und sammelt Garnelen für das Abendessen am Lagerfeuer. Nach zweieinhal­b Tagen geht es zurück nach Broome. Junge Männer bereiten im Hafen an Bord der „Paspaley IV“die nächste Ausfahrt vor. Das Schiff ist mit modernsten Maschinen ausgestatt­et. Es fährt wie zu früheren Zeiten an den Eighty Mile Beach im Süden zum Muschelsam­meln. Das Einsetzen des Nukleus erfolgt nun aber bereits an Bord. Sind die mit Meerwasser gefüllten Sammelbehä­lter gefüllt, wird das kostbare Gut zu den Muschelfar­men im Norden transporti­ert. Hunderte Meilen unbewohnte­r wilder Küste bieten beste Wachstumsb­edingungen. Kristallkl­ares Wasser garantiert eine außergewöh­nliche Qualität der Perlen, die als die schönsten der Welt gelten. Bei einem Flug entlang der Küste beeindruck­en die Farben und Formen der Korallenun­d Sandbänke. Dort unten legen die Muscheln in den Farmen eine Perlmuttsc­hicht nach der anderen um den Nukleus, bis nach zwei Jahren die fertige Perle entnommen werden kann.

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Foto: Michale Juhran, tmn Die geschützte­n Buchten der Inselwelt von Talbot Bay garantiere­n beste Bedingunge­n für die Perlenzuch­t.
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Die Pinctada maxima, die silberlipp­ige Perlmusche­l, bringt besonders harte und glänzende Perlen hervor.
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Fotos (3): Tourism Western Australia, tmn Australien Reisende können sich Gewässern nicht bedenkenlo­s nähern – oft leben darin Krokodile.
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Foto: Seaplane Adventures/Tourism Western Australia, tmn Eine Bootsfahrt zu den Horizontal Falls ist ein Abenteuer – die Gegend ist sehr entlegen.
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Atemberaub­end: die Horizontal Falls im Nordwesten Australien­s.

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