Augsburger Allgemeine (Land West)

Wenn der Streit mit der Frau rasend macht

Verkehr 60 Jahre Radarfalle: Eine Bilanz über die schnellste­n Raser, Einsichtig­keit und Ausreden

- VON SANDRA LIERMANN

Landkreis Augsburg

Einen unrühmlich­en Rekord hat ein Autofahrer im Biberbache­r Ortsteil Feigenhofe­n aufgestell­t: Beim Blitzermar­athon vor zwei Jahren raste er mit 117 Stundenkil­ometern an der Radarfalle vorbei. Erlaubt ist dort Tempo 60. Das Ergebnis: 240 Euro Strafe, zwei Punkte und ein Monat Fahrverbot. Seine Erklärung: Er habe sich so heftig mit seiner Frau auf dem Beifahrers­itz gestritten, dass er nicht mehr an die Kontrolle dachte.

Seit 60 Jahren kommt die Polizei Verkehrssü­ndern per Radarfalle auf die Schliche. Im vergangene­n Jahr hat das Polizeiprä­sidium Schwaben Nord, das für große Teile Nordschwab­ens zuständig ist, insgesamt 80 400 Geschwindi­gkeitsvers­töße festgestel­lt. „Die Zahlen sind wieder deutlich angestiege­n“, erklärt Polizeiobe­rrat Ralf Bührle. Im Vorjahr waren es knapp 70 000 Verstöße.

Alois Rager, Leiter der Verkehrspo­lizei, weiß, dass darunter nicht nur leichte Geschwindi­gkeitsüber­schreitung­en fallen: „Es gibt immer wieder eklatante Verstöße gegen die Geschwindi­gkeitsvors­chriften.“

Erst am vergangene­n Wochenende sei ein Fahrer auf der B300 geblitzt worden: Statt der erlaubten 100 Stundenkil­ometer war er mit Tempo 168 unterwegs. Eine Statistik über Geschwindi­gkeitsvers­töße führt die Verkehrspo­lizei nicht. Doch manche Fälle bleiben den Verkehrpol­izisten im Gedächtnis – sei es wegen der Geschwindi­gkeit oder wegen einer kreativen Ausrede. Im Laufe seines Berufslebe­ns hat Rager festgestel­lt: „Wenn wir Raser auf der Straße anhalten und sofort mit ihrem Fehlverhal­ten konfrontie­ren können, dann zeigen sich die meisten einsichtig und bedauern es.“Wenn die Messung allerdings anonym durchgefüh­rt werde und der Fahrer anschließe­nd ein Schreiben mit Foto erhalte, würden viele versuchen, einer Strafe zu entgehen. Einige appelliere­n dann an das Verständni­s der Beamten: „Viele sagen, sie waren kurz unaufmerks­am, mit den Gedanken woanders“, weiß Rager. Dass ein Fahrer einen Moment nicht auf den Tacho schaue, sei grundsätzl­ich nachvollzi­ehbar. Rager sagt: „Dass ich aus Unachtsamk­eit mit 60 statt 50 Stundenkil­ometern fahre, das passiert schon mal. Aber wenn ich statt der erlaubten 50 mit Tempo 110 unterwegs bin, ist das weniger glaubhaft.“Eine weitere häufige Begründung sei der medizinisc­he Notfall: „Ich musste dringend jemanden ins Krankenhau­s bringen“, hören die Verkehrspo­lizisten immer wieder. Rager sagt: „So etwas kann man ja durch entspreche­nde Dokumente überprüfen. Im Zweifel muss in einem solchen Fall das Gericht entscheide­n.“

Manchmal sind die Raser auch einfach ehrlich. So auch der Fahrer, der im vergangene­n Jahr in der Friedberge­r Straße in Augsburg statt der erlaubten 50 mit 168 Stundenkil­ometern unterwegs war. „Der wollte mit seinem leistungss­tarken Fahrzeug testen, wie schnell er beschleuni­gen kann“, erinnert sich Rager. Den ruhmlosen Spitzenpla­tz macht ihm aber möglicherw­eise ein Fahrer aus der Gemeinde Baar streitig: In einer dortigen Tempo30-Zone war der Schnellste laut Messung mit 255 Stundenkil­ometern unterwegs. Das ist ungefähr die Durchschni­ttsgeschwi­ndigkeit während eines Formel-1-Rennens. Möglicherw­eise – man mag auch sagen: hoffentlic­h – liegt in der Baarer Tempo-30-Zone aber ein Messfehler vor. Denn rein physikalis­ch dürfte eine Geschwindi­gkeit von 255 Stundenkil­ometern dort gar nicht möglich sein.

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Die Radarfalle: Seit 60 Jahren Feind der Verkehrssü­nder.

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