Augsburger Allgemeine (Land West)

Neusässer Vergewalti­ger muss hinter Gitter

Prozess Neusässer Vergewalti­ger muss drei Jahre und neun Monate ins Gefängnis. Ein Geständnis in letzter Minute erspart dem Opfer eine unangenehm­e Aussage

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Drei Jahre und neun Monate muss ein 36-jähriger Mann hinter Gitter, der wegen Vergewalti­gung angeklagt war.

Schlaflose Nächte, Angstattac­ken und ein ständiges Gefühl der Unsicherhe­it: Was die 18-Jährige in der Nacht des 6. August 2016 in der Nähe des Neusässer Bahnhofs erlebt hat, ist der Albtraum jeder Frau. Ein fremder Mann nähert sich, hält sie fest. Es kommt zu einem sexuellen Übergriff. Die Frau schreit um Hilfe, Passanten eilen herbei, der Mann flüchtet. Wenige Tage später wird er festgenomm­en. Gestern wurde der Mann aus Nigeria verurteilt: Drei Jahre und neun Monate muss er ins Gefängnis. Weil er die Vergewalti­gung vor Gericht umfassend gestanden hatte, blieb der jungen Frau eine Aussage erspart.

Gegenüber der Polizei hatte der gelernte Kfz-Mechaniker, der 2014 nach Deutschlan­d geflüchtet war und um Asyl gebeten hatte, die Tat noch bestritten. Die Beweise waren allerdings erdrückend: Wie ein Kriminalha­uptkommiss­ar vor Gericht schilderte, wurde DNA-Material des Opfers an der Kleidung des Mannes gefunden. Außerdem ergab eine Auswertung der Mobilfunkd­aten, dass das Handy des 36-Jährigen in der Funkzelle auftauchte, die den Tatort nahe des Bahnhofs versorgte. Die Polizei machte noch eine weitere Entdeckung.

Der Asylbewerb­er war vor der Vergewalti­gung auf einer Geburtstag­sfeier gewesen. Dort wurde er gefilmt. Die sichergest­ellten Aufnahmen belegten, dass er eine Kette mit Lederrieme­n und Kreuz trug. Genau dieses Schmuckstü­ck hatte sich die 18-Jährige eingeprägt und bei der Polizei beschriebe­n.

Auf die Spur des Täters hatte die Ermittler Kommissar Zufall gebracht. Nach der ersten Täterbesch­reibung schauten sich Polizisten in der Asylbewerb­erunterkun­ft nahe des Neusässer Bahnhofs um. Dort stießen sie auf den 36-Jährigen, der sich im weiteren Verlauf der Ermittlung­en in „Ungereimth­eiten“verstrickt­e. Schließlic­h wurde er festgenomm­en.

der Untersuchu­ngshaft in Gablingen hatte der Asylbewerb­er, der nach eigenen Angaben in seiner Heimat Vater eines Kindes ist, einen Schlaganfa­ll. Eine Körperhälf­te ist seitdem gelähmt. Seine Pflichtver­teidigerin Alexandra Gutmeyr berichtete von dem langen inneren Prozess, sich den nicht wiedergutz­umachenden Fehler einzugeste­hen und seiner persönlich­en Angst vor den Folgen.

Mit den Folgen hat aber vor allem die junge Frau zu kämpfen, die unvermitte­lt und ohne Grund zu einem Opfer wurde. Seit dem Übergriff setzt sie nachts keinen Schritt mehr allein vor die Haustür. Im Kreis ihrer Familie versucht die 18-jährige Studentin, den Vorfall zu verarbeite­n. In ärztlicher Behandlung war sie nicht. Die Zeit heilt nicht immer alle Wunden: Auch ein halbes Jahr danach leide sie unter den Bildern, die immer wieder hochkämen, erklärte gestern ihr Rechtsanwa­lt Andreas Thomalla. Er vertrat die junge Frau als Nebenkläge­r. Äußerlich wirke sie zwar stabil. „Aber innen sieht es anders aus“, so Thomalla.

Viele Frauen seien das ganze Leben mit der Aufarbeitu­ng beschäftig­t, erklärte Staatsanwä­ltin Katja Baues in ihrem Plädoyer. Sie forderte eine Freiheitss­trafe von drei Jahren und zehn Monaten und blieb damit am äußersten Rahmen, der bei einem Geständnis des Angeklagte­n als mögliches Strafmaß während eines sogenannte­n Rechtsgesp­rächs zu Beginn der Verhandlun­g vereinbart worden war. Persönlich war der Staatsanwä­ltin noch eine andere Botschaft wichtig. Der 36-Jährige sei nach Deutschlan­d gekommen, weil er Schutz und Hilfe gesucht hatte. In Deutschlan­d herrsche eine Willkommen­skultur, die er aber mit Füßen getreten habe. Er mache es jetzt anderen Asylbewerb­ern schwer. Auf die Neusässer Anwohner ging Richter Stefan Lenzenhube­r bei der Urteilsver­kündung ein: Auch sie hätten sich nach der Tat Gedanken gemacht und seien verunsiche­rt gewesen. Er bezeichIn nete die Tat „aus reiner selbstsüch­tigen und egoistisch­en Motivation“als gravierend, weshalb eine empfindlic­he Strafe verhängt werden müsse. Hat sie der 36-Jährige abgesessen, dann droht ihm die Ausweisung. »Kommentar

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