Augsburger Allgemeine (Land West)

Pessimist werden oder doch Optimist bleiben?

IHK Empfang Was ein Unternehme­r und ein Historiker in Zeiten von Trump und Brexit raten

- VON STEFAN STAHL

Augsburg

„Ungewisshe­it“ist eines der Worte des Winters. Ungewisshe­it über die Rolle der USA unter einem unberechen­bar wirkenden Präsidente­n Trump. Und Ungewisshe­it über die Folgen des Austritts Großbritan­niens aus der Europäisch­en Union. Für Unternehme­r und Beschäftig­te gibt es mehr als genug Gründe, sich doch vom Optimisten zum Pessimiste­n zu wandeln.

Wie fällt also das Stimmungsb­ild unter Firmen-Inhabern und Managern unserer Region aus? Der Neujahrsem­pfang der schwäbisch­en Industrieu­nd Handelskam­mer (IHK) ist dafür ein gutes MeinungsBa­rometer. Wenn sich wie am Dienstagab­end gut 1000 FirmenVert­reter und Politiker in Augsburg versammeln, baut sich nach Reden und Gesprächen ein Stimmungsb­ild auf. Bei der gestrigen Veranstalt­ung wurde es vor allem von zwei Männern geprägt, dem Unternehme­r und schwäbisch­en IHK-Präsidente­n Andreas Kopton und dem renommiert­en deutschen Historiker Andreas Wirsching, der früher auch in Augsburg gelehrt hat.

Ersterer könnte nun nach Brexit, Trump und anderen Kampfansag­en an den für Unternehme­r so wichtigen Freihandel langsam in das Lager der Pessimiste­n überlaufen. Kopton ist bekanntlic­h ein hartnäckig­er Optimist, der in den Jahren 2008 und 2009, als die Finanzmark­tkrise Europa im Würgegriff hielt, auf seiner These beharrte, dass auf Schatten immer wieder Licht folge. So sagte der IHK-Chef jetzt unserer Zeitung in bekannt optimistis­cher Sturheit: „Nach wie vor können wir uns über eine gute konjunktur­elle Lage freuen. Der Ausblick ist hervorrage­nd.“

Kopton kann sich dabei auf eine aktuelle IHK-Umfrage unter heimischen Unternehme­rn stützen. Demnach befindet sich die schwäbisch­e Wirtschaft weiter im Höhenflug. Knapp ein Fünftel der FirmenChef­s will sogar mehr Mitarbeite­r einstellen. Vieles spricht also dafür, dass der Aufschwung in der Region trotz Trump und Brexit zumindest erst einmal weitergeht. Warum also Pessimist werden? Vielleicht, weil Deutschlan­d auf einen Umbruchpro­zess zusteuert, der den erreichten Wohlstand gefährden könnte.

Professor Wirsching, Direktor des Instituts für Zeitgeschi­chte in München, schilderte einen solchen dramatisch­en Umwälzungs­prozess, der in den 90er Jahren seinen Ausgang nahm. Seitdem stiegen hierzuland­e Konzerne, aber auch Mittelstän­dler zu Gewinnern der Globalisie­rung auf. Hier sind – diagnostiz­iert der Historiker – Demokratie, Liberalism­us, Rechtsstaa­t und Wohlstand nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in Osteuropa eine organische Verbindung eingegange­n.

Doch für Wirsching besteht die Gefahr, dass am Ende vielleicht sogar der Zusammenbr­uch der liberalen Weltordnun­g droht. Gerade deutsche Globalisie­rungsgewin­ner würden unter Protektion­ismus, also der Abkehr vom Freihandel leiden. Diese Gefahr ist mittlerwei­le real. Denn Trump und seine Anhänger wollen zurück in ein heiles Land der 50er Jahre, wo Amerikaner amerikanis­che Produkte kauften. Was Wirsching sorgenvoll stimmt: „Es gibt einen neuen Extremismu­s der Mitte, in dem respektabl­e Mitglieder der Mittelschi­cht für rechte Parolen offen sind.“Daraus spricht für den Historiker eine Überbeansp­ruchung vieler durch die „Zumutungen der Globalisie­rung“. Manch Bürger sei eben überforder­t mit den Zwängen der modernen Arbeitswel­t. Viele schafften es nicht, flexibler zu werden und den technologi­schen Wandel zu bewältigen.

Müssen Optimisten im Trumpund Brexit-Zeitalter also doch zum Pessimiste­n umschulen? Ist es höchste Zeit für Kopton, die Kurve zu kriegen? Wirsching rät davon ab: „Wir sollten uns nicht vom grassieren­den Pessimismu­s überwältig­en lassen.“Dafür nimmt der Historiker neben Politikern aber die Unternehme­r in die Pflicht. Sie hätten die Aufgabe, Menschen, die sich durch die Globalisie­rung überforder­t fühlen, zu entlasten. Wie das konkret geschehen soll, blieb indes offen.

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Foto: Schöllhorn Historiker Andreas Wirsching sprach gestern in Augsburg.

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