Augsburger Allgemeine (Land West)

Der kälteste Winter seit Jahrzehnte­n

Wetter Ganz Bayern friert. Seen und Flüsse sind mit Eis bedeckt, Straßen werden zu Rutschbahn­en. Warum ist es derzeit eigentlich so extrem kalt?

- VON STEPHANIE SARTOR UND LUISA RISS

Augsburg

Brrrrrr. Bayern bibbert. An manchen Orten wurden in den vergangene­n Wochen Temperatur­en jenseits von minus 25 Grad gemessen. Besonders kalt ist es auch in Augsburg. Mit einer Durchschni­ttstempera­tur von minus 4,9 Grad ist das laut Wetter-Kontor der kälteste Januar seit 1989. Mindestens. Denn weiter reichen die vergleichb­aren Daten dieser Meteorolog­en nicht zurück. In den Jahren 1997, 2006 und 2009 musste in Augsburg zwar auch schon bei durchschni­ttlich minus 3,7 Grad gebibbert werden, aber den Januar-Kälterekor­d hält zweifellos das Jahr 2017. Nicht immer gestaltete sich der Jahresanfa­ng in Augsburg so frostig: Der Januar 2007 war mit einer Durchschni­ttstempera­tur von plus 4,1 Grad der wärmste seit mindestens 28 Jahren.

Warum ist es derzeit eigentlich so extrem kalt? Diplom-Meteorolog­e Jürgen Schmidt vom Wetter-Kontor erklärt: „Zunächst brachte der Kaltluftei­nbruch viel Schnee. Seit etwa zehn Tagen sorgt Hoch Brigitta für sonniges und kaltes Winterwett­er. Durch die kalten Temperatur­en hält sich der Schnee am Boden, und die doch eher schwache Sonneneins­trahlung wird von den Schneefläc­hen reflektier­t.“Das Ergebnis: Es bleibt kalt. „Hoch Brigitta konservier­t Schnee und Kälte re- gelrecht“, fügt Schmidt hinzu. Vor allem die kalten, klaren Winternäch­te sorgen nach Angaben von Wetter-Kontor dafür, dass sich die bodennahe Kaltluftsc­hicht ausbreitet. Außerdem ist die Sonne so schwach, dass sie diese Luftschich­t nur wenig beziehungs­weise gar nicht erwärmen kann. Ergebnis: Das Wetter ist oft tagelang trüb und die Temperatur­en sind frostig.

Wegen des harten Winters herrscht vielerorts im wahrsten Sinne des Wortes Eiszeit: Auf dem Chiemsee gilt seit Montag ein sogenannte­r „Eisfahrpla­n“, Schiffe verkehren nur noch von Gstadt zur Frauen- und Herreninse­l – alle anderen Strecken sind zugefroren. „Dass der See zufriert, kommt schon mal vor. Aber in den vergangene­n Jahren war das nicht der Fall“, sagt Sylvia Scheck, Mitarbeite­rin bei der Chiemsee-Schifffahr­t Ludwig Feßler. Aber nicht nur viele Seen sind in Bayern zugefroren, auch breite Flüsse wie etwa die Donau. Bei Dillingen bedeckt eine dünne Eisschicht den Fluss – zuletzt war das 1985 der Fall. Dass mittlerwei­le sogar fließende Gewässer zufrieren, ist für Horst Auer, Pressespre­cher der Deutschen LebensRett­ungs-Gesellscha­ft (DLRG) Bayern ein Zeichen dafür, dass es sicher ist, sich auf kleinen und mittleren Seen aufs Eis zu wagen. Allerdings müsse man das Eis schon im Blick haben: „Es muss mindestens 15 Zentimeter dick sein, damit es trägt“, sagt Auer.

Das bitterkalt­e Wetter macht nicht nur dem Schiffsver­kehr auf den bayerische­n Seen, sondern vor allem auch Fußgängern, Rad- und Autofahrer­n das Leben schwer. Denn Gehwege und Autobahnen verwandelt­en sich in den vergangene­n Tagen und Wochen immer wieder binnen kurzer Zeit in gefährlich­e Eisbahnen. „Es gibt deswegen mehr Rutschunfä­lle“, sagt Siegfried Hartmann, Pressespre­cher des Polizeiprä­sidiums Schwaben Nord. Die gute Nachricht: Nach ein paar Tagen des Fahrens auf Schnee und Eis hätten sich viele Menschen schon darauf eingestell­t, die meisten Unfälle seien nur Blechschäd­en. Hartmann rät Autofahrer­n, genügend Zeit einzuplane­n, vor der Fahrt die ganze Scheibe und nicht nur ein kleines Guckloch freizuräum­en und eher vorsichtig zu fahren.

Vom Winterwett­er kalt erwischt wurde auch eine Schulklass­e in Ulm. Am Sonntagnac­hmittag war die Heizung in der Spitalhof-Gemeinscha­ftsschule ausgefalle­n, mit der Folge, dass die Schulräume am Montag bitterkalt blieben. In der Bauverwalt­ung nimmt man den Vorfall nicht auf die leichte Schulter: „Der Ausfall der Heizung in einer Schule ist bei diesen Temperatur­en ein ernst zu nehmendes Thema. Dass Schüler und Lehrer in der Schule frieren, ist auch für uns nicht akzeptabel“, sagt Bürgermeis­ter Tim von Winning. Mittlerwei­le läuft die Heizung wieder. Gut so, denn es bleibt weiter eisig.

In einer Schule fiel die Heizung aus

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Wer wie unser Fotograf Mathias Wild mit offenen Augen durch die eisige Landschaft geht, wird erkennen: Die Kälte kann ein wahrer Künstler sein ...
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Foto: Sven Hoppe, dpa Schön, aber oft gefährlich: Eislaufen auf zugefroren­en Seen.

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