Augsburger Allgemeine (Land West)
Rosarote Experimente
Martin Suter erschafft einen Mini-Elefanten
Das kann doch nur eine Sinnestäuschung sein, oder nicht? Wie kommt dieser kleine, rosarot leuchtende Elefant ausgerechnet in die Schlafhöhle des Obdachlosen Schoch? Kein Spielzeug, sondern ein echtes Lebewesen, gerade 20 Zentimeter groß. Eine nette Spielerei von Martin Suter, denn im Englischen ist der „rosarote Elefant“die Redewendung für alkoholbedingte Halluzinationen. Viel mehr thematisiert der Schweizer aber die extremen Potenziale der Gentechnologie. In „Elefant“ist es dem Forscher Roux gelungen, leuchtende Lebewesen zu kreieren. Nun will er mithilfe seines chinesischen Partners das große Geld verdienen. Sein grenzgängerisches Puzzlespiel geht so: Man nehme Luziferine, also Pigmente, die etwa Glühwürmchen zum Leuchten bringen, und dazu ein wenig Pigment von den roten Nasen der Mandrillaffen, fertig ist der Leuchtstoff. Der wahre Hintergrund der Story: Tatsächlich ist es Forschern bereits gelungen, in der Nacht leuchtende Kaninchen zu züchten.
Bei Suter ist das Forschungsergebnis eine geradezu märchenhafte Erscheinung. Sabu, das Wunder aus dem Reagenzglas, ist ein kleiner rosaroter Elefant, der sein Umfeld verzaubert, jedoch auch das perfekte Spielzeug für verwöhnte Gören wäre. Mit gewisser Ironie kreiert Suter gerade kein Gen-Monster, sondern ein liebenswertes Geschöpf, das auch noch das Gute im Menschen weckt. Besonders angetan ist Kauung, der Elefantenpfleger. Er will die Geschäftemacherei verhindern und organisiert ein Versteck für Sabu. Eine Verfolgungsjagd entwickelt sich. Das liest sich alles recht unterhaltsam – wenn man sich mal im zeitlichen Konstrukt der Geschichte zurechtgefunden hat –, und deshalb nimmt man das allzu „rosarote“Ende gerne auch noch mit. Doris Wegner