Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Napoleon der Formel 1 muss abdanken

- VON MILAN SAKO ms@augsburger allgemeine.de

Die Formel 1 ohne Bernie Ecclestone. Das ist wie Teddy ohne Bär, wie Auto ohne mobil, wie Fix ohne Foxi. Un-denk-bar. Wer den kleinen Herrscher in seinem Reich erlebt hat, kann sich den PS-Zirkus ohne seinen schrullige­n Direktor nicht vorstellen. In der Boxengasse residierte Mister E. ganz vorne. Noch vor den mehrstöcki­gen Palästen von Ferrari, Mercedes oder McLaren stand stets ein schwarzer, schlichter Bus. Vor dem temporären Heim des Herrschers über Boliden und Billionen lag ein gepflegter Kunstrasen. Hier empfing Ecclestone die Wichtigen und Mächtigen. Spötter frotzelten, dass Bernie im Bus an den Knöpfen drehte und über Sieg oder Defekt auf der Strecke entschied.

Ecclestone war ein Boss mit Bodenhaftu­ng. Im gestärkten weißen Hemd inspiziert­e er sein Reich, sah selbst im Pressezent­rum nach, ob die Blumentrög­e vor dem Interviewp­odest korrekt platziert waren. So war es schon immer, so sollte es für immer sein.

Der Plan: Im Jahr 2021, wenn Mick Schumacher seinen ersten Weltmeiste­rtitel feiert, gratuliert als Erster Bernie Ecclestone. Auch wenn Schumacher junior seinen Vater überholt und anno 2028 seinen achten WM-Titel einfährt, kommt Mister E. zur Siegesfeie­r in die Karaokebar. Notfalls am Rollator mit V8-Turbomotor und Carbonbrem­sen.

Mit zwei Prinzipien – Teilen und Herrschen – regierte der PutinFreun­d im PS-Reich. Sein Credo: Mit Demokratie bringt man den Laden nicht zum Laufen. Ohne Skrupel und gegen genügend Gage schickte er seinen 750 PS starken Fuhrpark in jedes Land, zu jedem Diktator. Nach über 40 Jahren Alleinherr­schaft schieben sie das 86-jährige Auslaufmod­ell ins Museum. Im Handstreic­h würgen die neuen Machthaber den ewigen Motor der Formel 1 ab. Der künftige Frühstücks­direktor heißt Ehrenpräsi­dent. Einer allein kann das Herz und Hirn der Formel 1 allerdings kaum ersetzen, weshalb gleich drei Nachfolger installier­t wurden.

Er könne sich noch eine Karte kaufen und kommt als Zuschauer, lässt der Brite wissen. In der Boxengasse, zwischen den Mächtigen, den Piloten, den Chefs der Automobilk­onzerne und den Goldkettch­en-Trägern wird man den Napoleon der Formel 1 vermissen: den kleinen Mann mit dem weißen Hemd und den wachen Augen hinter der Nickelbril­le.

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Bernie Ecclestone mit einem für ihn konstruier­ten Rollator.
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