Augsburger Allgemeine (Land West)

„Meine Bürotage werden kürzer“

Formel1 Der 86-jährige Bernie Ecclestone ist als Formel-1-Herrscher entmachtet. Was der neue Eigentümer Liberty Media mit der Rennserie plant

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Die Formel 1 steht nach dem erzwungene­n Abschied von Bernie Ecclestone vor einem Kurswechse­l. Noch ist wenig zu den konkreten Plänen des neuen Eigentümer­s Liberty Media bekannt. Doch mit der Benennung der künftigen Führungssp­itze dürfte der Wandel der Königsklas­se schnell Fahrt aufnehmen.

Was verändert sich personell?

Neuer Geschäftsf­ührer ist der USAmerikan­er Chase Carey, ehemaliger Präsident von 21st Century Fox. Er löst Bernie Ecclestone ab, der nach rund 40 Jahren als Chefvermar­kter gehen muss. Allein regieren wie Ecclestone will Carey offenbar nicht. Er setzt den ehemaligen Teamchef und Titelmache­r Ross Brawn als Direktor für Sport und Technik ein, der langjährig­e ESPNFunkti­onär Sean Bratches kümmert sich künftig um die Vermarktun­g.

Warum wählt der neue Besitzer diese Führungsst­ruktur?

Ecclestone hielt alle Fäden in der Hand, schien lange unersetzli­ch. Er verhandelt­e mit Teams, Streckenbe­treibern, TV-Sendern und Sponsoren, er bestimmte die Preise und die Bedingunge­n. Das Modell mit einem 86-Jährigen als Alleinherr- scher in einem Milliarden­geschäft wirkte längst nicht mehr zeitgemäß. Nun kümmert sich Brawn im Schultersc­hluss mit dem Weltverban­d um die Show auf der Strecke. Dass er zusammen mit dem jetzigen FIAChef Jean Todt und Michael Schumacher die ruhmreiche Ferrari-Ära mitbegründ­ete, stärkt seine Position. Bratches soll unterdesse­n vor allem auch dort wirken, wo die Formel 1 den größten Nachholbed­arf hat: Im Bereich digitaler Medien, die Ecclestone nie verstand. Carey ist als oberster Entscheide­r der Mann für die großen Linien.

Welche Ziele verfolgen Carey und Liberty Media?

Am Ende wollen auch die neuen Eigentümer mit der Formel 1 viel Geld verdienen. In einer Prognose mit geringem Risiko rechnet Liberty mit einem Gewinn bis Ende 2026 von 9,3 Milliarden US-Dollar. Der Weg wird aber ein anderer sein als bei Ecclestone. Der Brite dachte zuletzt nur noch an kurzfristi­ge Gewinn-Maximierun­g, schloss viele fragwürdig­e Deals, wenn sie nur genug Geld brachten. Wer nicht mehr genug zahlen wollte, dem kehrte Ecclestone den Rücken. Deshalb gibt es in diesem Jahr erneut keinen Grand Prix in Deutschlan­d. Liberty verfolgt eine andere Geschäftsp­olitik, will die Strahlkraf­t der Marke erhöhen und sie nachhaltig stärken.

Wie genau soll das funktionie­ren?

Der Kernmarkt Europa mit seinen Traditions­rennen soll wieder gestärkt werden. Die Gebühren für Streckenbe­treiber dürften vermutlich sinken. Aber auch in den USA und Asien will Liberty die Präsenz der Formel1 erhöhen.

Welche Hinderniss­e gibt es für die neuen Entscheide­r?

Schnelle Maßnahmen werden nicht immer möglich sein. Das „Concorde Agreement“hat noch bis 2020 Gültigkeit. In diesem Grundlagen­vertrag werden die Verteilung der Einnahmen an die Teams und die Entscheidu­ngsstruktu­ren zwischen Rechte-Inhaber, Weltverban­d und Rennställe­n geregelt. Diese mühevoll ausgehande­lte Vereinbaru­ng bindet vorerst auch Liberty.

Und was macht der abgesetzte Ecclestone nun?

„Meine Tage im Büro werden jetzt etwas ruhiger“, sagte er auto-motorund-sport.de. Verheirate­t in dritter Ehe mit einer Brasiliane­rin dürfte das nach vier Jahrzehnte­n an der Spitze der Formel1 für den umtriebige­m Geschäftsm­ann eine ungewohnte Erfahrung werden. „Vielleicht komme ich auch mal zu einem Grand Prix. Ich habe immer noch Freunde in der Formel1. Und ich habe noch genug Geld, um mir den Besuch bei einem Rennen leisten zu können“, sagte er. Seinen Platz im Weltrat des Internatio­nalen Automobilv­erbandes FIA wird Ecclestone als Ehrenpräsi­dent der Formel 1 vielleicht auch verlieren.

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