Augsburger Allgemeine (Land West)

Kommt jetzt die finstere Prinzessin?

Geschichte Star Wars und andere Fantasy-Filme: Wie sich Hollywood im Mittelalte­r bedient. Der Historiker Martin Kaufhold macht erstaunlic­he Entdeckung­en und zieht spannende Parallelen

- VON ALOIS KNOLLER

Je ferner die Welten, desto freier die Fantasie? Keineswegs. Star Wars zeigt vielmehr handfeste Anknüpfung­en an mittelalte­rliche Vorstellun­gen – und seien sie nicht aus der europäisch­en, sondern aus der japanische­n Kultur geschöpft, wie der Historiker Martin Kaufhold einem gefesselte­n Publikum in der Ringvorles­ung „Fantasy, Science Fiction und das Mittelalte­rliche“am Montagaben­d im ziemlich voll besetzten Hörsaal II nahebracht­e.

Vor allem lockte Kaufholds Frage: Wie weiblich können Jedi-Ritter sein? Gilt nicht das Rittertum als Inbegriff von männlicher Tapferkeit und Klugheit? In den großen mittelalte­rlichen Epen wie „Parzival“des Wolfram von Eschenbach taucht der Auftrag auf, hinauszuzi­ehen in die Welt und Abenteuer zu bestehen. Im Kampf hat sich der Ritter zu bewähren und seine Berufung zu ent- die ihm in der Regel ein väterliche­r Mentor vorhergesa­gt – und ihn darauf vorbereite­t – hat. Frauen haben dabei in der Minnedicht­ung meist bloß die Aufgabe, den zögerliche­n Helden anzustifte­n, endlich aufzubrech­en. Das sei bei Luke Skywalker kein bisschen anders, so der kinokundig­e Geschichts­professor.

Allerdings gibt es hier Ausnahmen. Kaufhold erinnerte an Prinzessin Antikonie, die im „Parzival“dem Ritter Gawan nicht nur in Liebe verbunden ist, sondern selbst entschloss­en zum Schwert greift und ihre Gegner auf den Tod bekämpft. Ganz zu schweigen von Jeanne d’Arc, die im hundertjäh­rigen Krieg zwischen England und Frankreich mit ihrem Eingreifen die Wende zugunsten des französisc­hen Prinzen Karl aktiv einleitet. Sie handele im Auftrag der Heiligen, also der himmlische­n Macht, sagte sie zu ihrer Rechtferti­gung. Die Parallele in Star Wars bildet Rey, die machtbe- gabte Schrottsam­mlerin, die den verscholle­nen Luke Skywalker aufspürt und ihn auffordert, als letzter Jedi-Ritter das Lichtschwe­rt wieder aufzunehme­n, aber selbst auch damit gegen den Nachfolger des Galaktisch­en Imperiums kämpft.

Prof. Kaufhold stieß in noch tiefere Dimensione­n. Er verglich das Ritteridea­l des Kreuzzugpr­edigers Bernhard von Clairvaux mit der Ausbildung der Samurai, auf die Lehrmeiste­r Yoda in Star Wars deutlichen Bezug nimmt. Bernhard, der Theologe, unterschie­d das weltliche Rittertum vom christlich­en. Er nannte das eine Malitia (Schlechtig­keit) und das andere Militia (Rittertum); denn der notorische Totschläge­r und Räuber werde erst durch gläubige Tugend zum Heiligen. Unvernünft­ige Leidenscha­ft und Gier nach Ruhm müsse er ablegen und sich in den Dienst Christi stellen, um recht zu handeln. Gleicherma­ßen gipfelte die zeitgleich­e ostasiatid­ecken, sche Samurai-Ausbildung in hoher Selbstbehe­rrschung und Hingabe an das Tao. „Man lässt den Geist nicht schweifen“, lehrte die mittelalte­rliche japanische Schule. Stets solle der Samurai ernsthaft sein, sich durch nichts ablenken lassen.

Freilich nimmt sich Hollywood in Star Wars die Freiheit, aus den strengen mittelalte­rlichen Haltungen, die im Tod des Helden dessen letzte Erfüllung sehen, dramaturgi­sch auszubrech­en. „Den Weg der Begegnung mit sich selbst, um damit die Ordnung der Welt wiederherz­ustellen, geht Luke Skywalker nicht in voller Länge“, erklärte Kaufhold. Womöglich bringt ihn ja doch noch eine Frau dorthin – und sei es eine Prinzessin der Finsternis, nachdem in „Rogue One“Darth Vader wieder auftauchte. Schon Zen-Meister Dogan Zenji lehrte um 1250, das Potenzial der Frauen zu schätzen und sie nicht nur als Objekt sexueller Begierde anzusehen.

 ?? Foto: Lucasfilm ?? In der Welt der Sternenkri­eger steckt sowohl europäisch­es Ritter Mittelalte­r als auch japanische­r Samurai Zen.
Foto: Lucasfilm In der Welt der Sternenkri­eger steckt sowohl europäisch­es Ritter Mittelalte­r als auch japanische­r Samurai Zen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany