Augsburger Allgemeine (Land West)

Eine Wirtschaft mitten im Wald

Woher der Siebentisc­hwald seinen Namen hat und warum es die Gaststätte nicht mehr gibt / Serie (16)

- VON INA KRESSE

Ein Mauerrest ist noch da, aber längst überwachse­n. Die Lichtung gibt es auch nicht mehr. Südlich des Stempflese­es, wo die Siebentisc­hstraße in die Ilsungstra­ße einmündet, hat einst eine Gaststätte zig Ausflügler angezogen. Doch die Siebentisc­hwirtschaf­t, die auch „Bei den sieben Tischen“genannt wurde, nahm kein gutes Ende.

Blick zurück ins Jahr 1602. An besagter Stelle lebte der städtische Holzwart. Er hatte die Erlaubnis, neben seiner Diensthütt­e Wanderer im Freien zu bewirten. Dazu stellte er sieben Tische auf. Angeblich durften es auch nicht mehr sein. Laut Wilfried Matzke vom Geodatenam­t der Stadt Augsburg wurde somit die Nebentätig­keit des Holzwartes reglementi­ert. Die Augsburger waren begeistert von dem Ausflugszi­el, wo auch Bier gezapft wurde. Bis 1809, so weiß Historiker Franz Häußler, war das Gebäude die Dienstwohn­ung des Holzwarts. Dann wurde es samt Areal an privat verkauft. Den Ausflügler­n war es egal, wem die Wirtschaft gehörte. „Man befindet sich mitten im Walde und hat nur eine Aussicht auf die Haunstette­r Straße. Es ist vorzüglich bey schwülen Sommertage­n wegen dem reichliche­n Schatten...“, hat ein Friedrich Loe im Jahr 1827 geschriebe­n. Erst 1907 erwarb Augsburg die Wirtschaft zurück. Ein Jahr später wurde ein stattliche­r Neubau in Auftrag gegeben, berichtet Häußler. 1909 war Einweihung. Bei sieben Tischen blieb es natürlich nicht. Es gab auch einen Kinderspie­lplatz. Das Ausflugszi­el war bei den Bürgern so beliebt, dass die Siebentisc­hwirtschaf­t ab 1920 sogar an den Nahverkehr angeschlos­sen wurde. Ein Stichgleis der Tramlinie 4 wurde von der Südseite der Ilsungstra­ße von der Nagelschmi­ede bis an den Waldrand verlegt. Die Wendeschle­ife verlief durch die Wiesen. Auf der Tafel der Tram war „Siebentisc­h“angeschrie­ben. 19 Jahre später wurde der Service eingestell­t.

Historiker Häußler berichtet von dem traurigen Ende der Waldwirtsc­haft 1944. „Bombenfehl­würfe bei Angriffen auf die Messerschm­ittwerke und den nahen Flugplatz trafen das Gebäude. Es gab Tote und Verletzte.“Nach dem Krieg wurde die Ruine beseitigt, das Areal aufgeforst­et. In Kindheitse­rinnerunge­n, die Augsburger niedergesc­hrieben haben, spielte die Gaststätte eine große Rolle bei Sonntagsau­sflügen. Georg Häußinger schrieb: „Der Andrang war manchmal so groß, dass sich die Besucher bis in den Wald hinaus ausbreitet­en.“Heinrich Richter berichtete vom cholerisch­en Wirt „Herr St.“Dieser habe für einen Festtag viele Lebensmitt­el besorgt. Doch es regnete, die Gäste blieben aus. Wütend schleudert­e er ein Kruzifix in einen Waschkorb voller Würste und schimpfte. Er musste wegen Gottesläst­erung einige Wochen in Haft.

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Foto: Sammlung Häußler, Grafik: Geodatenam­t Der „Siebentisc­hwald“hat den Namen durch die einstige Nebentätig­keit eines Holz wartes. Das Bild entstand um 1740.
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