Augsburger Allgemeine (Land West)

Polizei hilft bedrohtem Jugendlich­en nicht

Justiz Ein 16-Jähriger wird auf einem Skaterplat­z brutal zusammenge­schlagen. Er hatte zuvor den Notruf gewählt, doch dort wurde er offenbar abgewimmel­t. Jetzt soll es einen Prozess gegen einen Beamten der Einsatzzen­trale geben

- VON JÖRG HEINZLE

Ein Jugendlich­er wird zusammenge­schlagen, weil die Polizei trotz eines Notrufs nicht kommt. Der Fall, der sich im Frühjahr vorigen Jahres abgespielt hat, wird jetzt wohl ein Nachspiel vor Gericht haben. Im Februar soll es einen Prozess gegen einen Beamten geben, der in der Einsatzzen­trale der Polizei arbeitet. Der Polizist soll, so die Ansicht der Staatsanwa­ltschaft, den 16-jährigen Jugendlich­en am Telefon abgewimmel­t haben. Der Vorwurf der Anklage lautet daher: Körperverl­etzung im Amt durch Unterlasse­n.

Es ist der Dienstag nach Ostern, als nachmittag­s der Notruf in der Einsatzzen­trale des Polizeiprä­sidiums eingeht. Der 16-Jährige berichtet, er befinde sich am Skaterplat­z in Stadtberge­n. Er werde von anderen Jugendlich­en bedroht, sein Freund bereits geschlagen worden. Doch der Polizist am Notruf sieht offensicht­lich keinen Anlass, schnell seine Kollegen dorthin zu schicken. Der Beamte sagt, es sei keine Streife verfügbar. Dem Jugendlich­en empfiehlt er stattdesse­n, den Skaterplat­z zu verlassen oder zum nächsten Polizeirev­ier zu gehen. Das wäre die in Luftlinie rund zwei Kilometer entfernte Inspektion in Pfersee.

Die Sache geht für den 16-jährigen Skater schmerzhaf­t aus. Die Jugendlich­en setzen ihre Drohungen um. Der 16-Jährige gibt an, er sei von den Angreifern geschlagen und getreten worden, unter anderem gegen den Kopf. Auch noch, als er am Boden lag. Der Jugendlich­e erleidet diverse Prellungen, Blutergüss­e und hat danach ein blaues Auge. Als der Vorfall bei der Polizei intern bekannt wird, schaltet das Präsidium die internen Ermittler des Landes- ein. Sie sind zuständig dafür, Vorwürfe gegen Beamte zu prüfen. Die Ermittler gehen vor allem einer Frage nach: Trägt der Beamte am Notruf eine Mitschuld daran, dass der 16-Jährige brutal zusammen geschlagen worden ist?

Die Staatsanwa­ltschaft sieht es so. Die Behörde geht davon aus, dass der Beamte solche Folgen zumindest in Kauf nahm, als er den Jugendlich­en abwimmelte. Rechtlich möglich wäre theoretisc­h sogar eine Haftstrafe. Für so gravierend hält die Staatsanwa­ltschaft das mutmaßlich­e Fehlverhal­ten des Beamten aber nicht. Nach Informatio­nen unserer Zeitung beantragte die Behörde beim Amtsgerich­t einen Strafbefeh­l über eine Geldstrafe – in einer Höhe, in der es noch keinen Eintrag im Führungsze­ugnis gibt. Auch eine Entlassung würde dem Polizist nicht drohen. Das Gericht hat den Strafsei befehl nach Prüfung der Aktenlage so erlassen. Doch der Beamte ist damit nicht einverstan­den. Er hat Einspruch eingelegt. Deshalb soll es nun im Februar den Prozess geben.

Der Beamte ist nach wie vor normal im Dienst. Über mögliche disziplina­rische Schritte entscheide­t das Präsidium in aller Regel erst nach einem Gerichtsur­teil. Polizeispr­echer Thomas Rieger hatte bereits im Sommer, als unsere Zeitung den Fall öffentlich machte, betont: „Wir bedauern den Vorfall.“Ein direktes Wort des Bedauerns habe der Jugendlich­e von der Polizei aber bislang noch nicht gehört, bemängeln dessen Eltern. Erst vor Kurzem sei ein Schreiben eines Anwalts gekriminal­amtes kommen, der sich im Namen des Polizisten entschuldi­gt habe und 500 Euro Entschädig­ung anbiete. Die Familie ist nicht darauf eingangeng­en. Sie will erst einmal abwarten, wie das Strafverfa­hren läuft.

In einem weiteren Prozess sollen sich bald auch die drei Jugendlich­en vor Gericht verantwort­en, die den 16-Jährigen und dessen Freund am Skaterplat­z verprügelt haben. Die Staatsanwa­ltschaft hat alle drei wegen des Verdachts der Körperletz­ung angeklagt. Immerhin: Einer der Angeklagte­n hat dem 16-Jährigen bereits 600 Euro Schmerzens­geld bezahlt, ein anderer will 1000 Euro in Raten abstottern. Der dritte mutmaßlich­e Schläger hat dagegen auf eine Schmerzens­geldklage einfach nicht reagiert. Er wurde vom Gericht zur Zahlung von 600 Euro verurteilt. Das Geld soll nun ein Gerichtsvo­llzieher eintreiben.

Auch die mutmaßlich­en Schläger sind angeklagt

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