Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Heuautomat für Liesel

Tiere Familie Bär hat in Lindach einen besonderen Stall gebaut. Vieles ist dort computerge­steuert – auch das Füttern. Das soll vor allem den Pferden gut tun

- VON MANUELA BAUER

Dinkelsche­rben Lindach Der kleine gelbe Chip in der Mähne ist für Liesel der Schlüssel zum Futter. Wenn das Pferd den Futterauto­maten – ein Holzhäusch­en mit vier Eingängen – betritt, erkennt der Computer an dem sogenannte­n Transponde­r, wann das Pferd wie viel Futter bekommt. Ist Essenszeit, öffnet sich der Schieber und Liesel kann Heu fressen.

Es ist ein neues Konzept, nach dem die Familie Bär in Lindach ihren Pferdestal­l gebaut hat: Es handelt sich um einen Aktivstall. Er soll besonders tierfreund­lich sein, weil die Pferde sich viel bewegen und naturnah leben. Auch das schwedisch­e Staatsgest­üt hat einen solchen Stall errichtet.

Alle zwei Stunden bekommen die Pferde hier etwas zu fressen – wenn es so weit ist, warten die Tiere bereits vor dem Automat. „Sie wissen mittlerwei­le schon, wann es so weit ist“, erzählt Manuela Bär. Seit Dezember leben dort Pferde. Sechs sind es derzeit, 25 sollen es noch werden. Die Menschen mussten ihnen zunächst beibringen, wie die automatisc­he Fütterung funktionie­rt. Besonders schwierig ist die Nutzung der Klapptüren, erklärt Bär: „Für ein Pferd heißt ein Querbalken eigentlich: Stopp.“Doch hier muss es gegen die Tür drücken, um den Futterstan­d wieder zu verlassen – und Platz zu machen für das nächste Tier. Auch gegen besonders schlaue Pferde, die einfach zwei Stunden im Automat warten würden, bis es wieder Futter gibt, ist übrigens vorgesorgt: Das Pferd muss jedes Mal in einen anderen Stand gehen, sonst öffnet sich die Klappe nicht.

Nicht nur die Heufütteru­ng funktionie­rt in diesem Stall automatisc­h. Eine ähnliche Station gibt es auch für das Kraftfutte­r. Der Transponde­r gibt je nach Pferd eine bestimmte Menge Müslipelle­ts und Mineralfut­ter frei, die das Pferd dann vom Boden frisst. Das sei besonders „naturnahes Füttern“, sagt Bär. Die Wasserträn­ken sind einer Pfütze nachempfun­den, ohne Drücker, beheizt und damit frostfrei.

Die Futter- und Trinkstati­onen sind im Aktivstall über das ganze Gelände verteilt. So bleiben das Tier immer in Bewegung. „Es läuft hier zwölf bis 15 Kilometer am Tag“, erklärt Bär. Das liege in der Natur des Pferdes, denn in Freiheit sei es den ganzen Tag auf Futtersuch­e. In normalen Ställen mit Boxen bewege es sich dagegen den ganzen Tag nicht.

Einen geschlosse­nen Stall gibt es hier nicht. Auch die Liegehalle ist auf einer Seite offen. Es ist der Bereich zum Ruhen. Der Boden ist mit Stroh bedeckt, Futter gibt es dort keines. Wobei „Liegehalle“eigentlich ein falscher Begriff ist, denn Pferde liegen ganz selten. Meist ruhen sie sich im Stehen aus, entlasten dabei ein hinteres Bein, erklärt Bär. In der Halle gibt es auch noch zwei Kranken- und Eingewöhnu­ngsboxen, in denen die Tiere von der Herde getrennt werden können.

Der Freibereic­h, in dem auch die Futterstat­ionen sind, hat einen Sandbelag und darunter Matten, „damit es nie matschig wird“, erklärt die Stallbetre­iberin. Im Sommer gibt es dann auch noch eine Koppel – für die Pferde, denen der Chip in der Mähne Zutritt gewährt. Denn nicht alle vertragen Grünfutter. Der Blick von der Anhöhe auf das verschneit­e Lindach ist jedenfalls auch für Menschen traumhaft.

Und für Pferde ist diese Heimat ideal, sagen Experten: Die vermehrte Bewegung und die kleinen Futterport­ionen wirkten sich positiv auf Verdauungs­organe, Gelenke und Verhalten der Pferde aus. Zwölfmal am Tag gibt der Computer das Heu frei. Für größere Pferde öffnet sich der Schieber länger, damit sie mehr fressen können. Wenn ein Tier neu in den Stall kommt, dann messen die Bärs, wie lange es braucht, um ein Kilo Heu zu fressen. So können sie berechnen, wie lange sich die Klappe öffnen soll, und den Computer entspreche­nd programmie­ren.

Mit diesem Konzept können sie verschiede­ne Rassen halten, erklärt Bär. In normalen Ställen mit Heuraufe haben dagegen immer die höherrangi­gen Tiere Vorrang. Anders in Lindach: „Hier gibt es keinen Rangkampf beim Futter, das genießen sie.“Grundsätzl­ich sei das Konzept für alle Pferde geeignet.

Auch wenn hier vieles automatisc­h funktionie­rt: Ohne Menschen kommt der Stall trotzdem nicht aus. Sie füllen das Heu auf, misten aus, kontrollie­ren die Pferde. Jeden Morgen überprüfen sie am Computer, wie viel jedes Pferd gefressen hat. „So erkennen wir, ob alles in Ordnung ist“, sagt Bär.

Seit 2013 hat die Familie den neuen Stall geplant. Das Genehmigun­gsverfahre­n habe recht lange gedauert, im Sommer 2016 begannen die Bauarbeite­n. Der Bereich für die Pferde ist nun fertig, derzeit wird noch an der Sattelkamm­er und den Putzplätze­n gearbeitet. Nach Angaben des Hersteller­s sind die nächsten Aktivställ­e in Gablingen und Königsbrun­n. Er kostet etwa 10 000 Euro pro Pferdeplat­z.

 ??  ?? So sehen die computerge­steuerten Futterauto­maten im Aktivstall aus. In jeder Hütte können vier Pferde gleichzeit­ig fressen.
So sehen die computerge­steuerten Futterauto­maten im Aktivstall aus. In jeder Hütte können vier Pferde gleichzeit­ig fressen.
 ??  ?? Alle zwei Stunden gibt es etwas zu fressen. Dann öffnet sich der Schieber. Nach einer bestimmten Zeit, die bei jedem Tier unterschie­dlich ist, schließt er sich wieder.
Alle zwei Stunden gibt es etwas zu fressen. Dann öffnet sich der Schieber. Nach einer bestimmten Zeit, die bei jedem Tier unterschie­dlich ist, schließt er sich wieder.
 ??  ?? Mithilfe des gelben Chips in der Mähne kommt das Pferd ans Futter.
Mithilfe des gelben Chips in der Mähne kommt das Pferd ans Futter.
 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Manuela Bär und das Pferd Liesel.
Fotos: Marcus Merk Manuela Bär und das Pferd Liesel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany