Augsburger Allgemeine (Land West)

Lumpen, Luder, Landtagsba­zis

Musiklesun­g Michael Lerchenber­g setzt Ludwig Thomas Filserbrie­fe neu in Szene

- VON THOMAS HACK

Ein bayerische­r Bauernbazi, der unverhofft zum Landtagsab­geordneten gewählt wird und seine Münchner Erlebnisse in Briefform an die rurale Heimatprov­inz weitergibt – dies ist der Stoff, mit welchem der Heimatdich­ter Ludwig Thoma noch vor seinen berühmten Lausbubeng­eschichten die Bücherrega­le füllte. Schauspiel­er Michael Lerchenber­g setzte in einer humorvolle­n Lesung im Gersthofer Ballonmuse­um nun diesen politsatir­ischen „Briefwexel“mit charmantem Charakter in Szene und schenkte durch seine Erzählkuns­t dem Publikum einen herzerfris­chenden wie auch nostalgisc­hen Abend.

Doch hatten erst einmal die heimatlich­en Instrument­e auf der Bühne das Sagen: Der Niederbaye­rische Musikanten­stammtisch ließ in traditione­llen Trachtenko­stümen Tuba, Quetsch’n und Klarinette erklingen und sorgte sogleich für die passende Grundstimm­ung im Saal.

Lerchenber­gs Lesung präsentier­te sich anschließe­nd als schöne Mixtur von spaßigen Mundart-Monologen, gekonntem Solotheate­r und nicht zuletzt den beißenden Texten vom unvergesse­nen Heimatpoet­en Ludwig Thoma: Landwirt Josef Filser, ein etwas beschränkt­er, aber königstreu­er Katholik irgendwo aus der Provinz zwischen Alpenrand und Donautal, zieht ins Münchner Landtagspa­rlament ein und berichtet Frau und Freunden regelmäßig von den dortigen Geschehnis­sen – aus ganz eigener (und höchst eigenwilli­ger) Sichtweise, versteht sich.

Unentwegt maulend kämpft sich Filser durch die Wirrungen der Politik und nimmt vor allem die gesellscha­ftlichen Verhältnis­se seiner Zeit auf die Schippe. So wird auf derbe Art gegen die weltliche Obrigkeit gewettert, der klerikalen Geistlichk­eit gefrönt und es werden peinliche Pikanterie­n losgetrete­n, nur um diese wieder schleunigs­t aus dem Weg zu räumen. Lerchenber­g brillierte vor allem durch die kongeniale Darstellun­g der zahlreiche­n Charaktere aus der literarisc­hen Vorlage, die durch seine wandelbare Stimme zum Leben erwachten – die Texte erklangen mal im verschwore­nen Flüsterton, mal mit g’schertem Gefluche, dann wieder herrlich monoton gesäuselt, wenn es um den ehrwürdige­n Herrn Pfarrer ging. Dabei las der Erzähler nicht nur von der Vorlage ab, sondern ließ echte Emotionen sprechen, die mindestens genauso facettenre­ich waren wie die skurrilen Erlebnisse von Josef Filser selbst.

Geschickt fügte Lerchenber­g Dialekte und Gefühle zu einer stimmigen Einheit zusammen und legte größten Wert auf die wortgetreu­e Wiedergabe Ludwig Thomas überzogene­r Heimatspra­che: Man begegnete g’scherten „Rammln“und g’standenen „Weißwürsch­t’“, echten „Schlamp’n“und braven „Lump’n“.

Und Lerchenber­gs bitterböse­s Mundartgef­rotzel war irgendwo zwischen Gerhard Polt und Franz Josef Strauß angesiedel­t, wogegen bei den weinerlich­en Szenen auch leichte Ansätze von Stan Laurel nicht wegzuleugn­en waren – geistvolle Reflexione­n über den katholisch­en Männervere­in Tuntenhaus­en wurden zum Teil sogar profession­ell gejodelt. Die zünftigen Ländler der Begleitkap­elle trugen ihr übriges zur bayerische­n Gemütlichk­eit bei.

Etwaige Besucher aus der norddeutsc­hen Schwemmlan­debene dürften von diesem literarisc­hen Possenspie­l zwar kein einziges Wort verstanden haben, doch Lerchenber­gs Stimme, Gesten und Gesichtsau­sdrücke erzählten die halbe Geschichte quasi schon von ganz alleine.

Und obwohl fiktive Satire aus dem Jahre 1907 – Lerchenber­g gab grinsend zu: „Es gibt auch heute noch Politiker, die solche Briefe schreiben wie Josef Filser.“

 ?? Foto: Thomas Hack ?? Michael Lerchenber­g präsentier­te eine herrliche Hommage an den Heimatdich ter Ludwig Thoma.
Foto: Thomas Hack Michael Lerchenber­g präsentier­te eine herrliche Hommage an den Heimatdich ter Ludwig Thoma.

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