Augsburger Allgemeine (Land West)

Traumberuf Meerjungfr­au

Trend Mit Arielle, der Meerjungfr­au, konnte Denise Nemec nie besonders viel anfangen. Heute aber ist ihre Flosse ihr ganzer Stolz. Sie hofft, dass aus ihrem Hobby mehr werden könnte

- VON CLAUDIA GRAF

Augsburg/Neusäß

Die Beine in eine Mülltüte gesteckt, steht Denise Nemec in ihrem Wohnzimmer. Von den Füßen bis zur Hüfte wickelt sie sich als Nächstes rundherum mit Klebeband ein. Denise Nemec will eine Meerjungfr­au sein. Und für eine neue Flosse braucht die junge Frau eben ihre Maße. Als Vorlage wird sie das Ergebnis aus Tüte und Klebeband in die USA schicken.

Mit einer sogenannte­n Monoflosse und „leicht wie ein Fisch“schwimmen, das ist das Hobby der 27-Jährigen aus Augsburg. Doch bei einem Hobby soll es nicht unbedingt bleiben.

Rund zwei Monate später hat das Warten auf die Flosse ein Ende, Denise Nemec kann als Meerjungfr­au abtauchen. Auch das passende Oberteil war in dem Paket aus den USA: Rosa, lila und pink glitzern die Fischschup­pen, so wie auf der Monoflosse.

Stolz holt Nemec jetzt die 14,5 Kilogramm schwere Flosse aus ihrem übergroßen Rucksack und streichelt über die Oberfläche aus Silikon. „Das ist sie“, sagt sie und lächelt dabei. Maßgeschne­idert, Form, Farben und Muster individual­isierbar. So eine Silikonflo­sse gibt es ab 2000 Euro. Mit etwas Haarspülun­g cremt sich Nemec nun ihre Beine ein, so rutscht es sich im Sitzen leichter ins Meerjungfr­auenKostüm. Beim ersten Probetrage­n zu Hause habe sie noch 20 Minuten gebraucht, erzählt sie. Inzwischen geht es ganz schnell. Ihre langen blonden Haare sind zum Zopf geflochten, die wasserfest­e Wimperntus­che sitzt. Es kann losgehen. Nemec schiebt sich seitlich in das Schwimmerb­ecken im Erlebnisba­d Titania in Neusäß – und taucht ab.

Es war eine kurze Radio-Werbung einer Meerjungfr­auenSchwim­mschule, die sie vergangene­s Jahr auf die Idee brachte, das Schwimmen mit Monoflosse auszuprobi­eren. „Mein Mann dachte, ich hab’ einen Schuss weg“, sagt Nemec. Er habe zwar gleich klarge- stellt, dass er sich selbst nicht so ein „Ding“anziehen werde, unterstütz­e sie aber. Abzubringe­n war seine Frau ohnehin nicht mehr.

So wie Denise Nemec geht es immer mehr Menschen in Deutschlan­d. Vor allem bei Kindern sind Schnupperk­urse und Badeanzüge mit Flosse beliebt. 2016 fanden in Thüringen zudem die ersten deutschen Meistersch­aften im Meerjungfr­auen-Schwimmen statt. In verschiede­nen Altersklas­sen wurde dort um die Wette geschwomme­n.

In den USA geht der Trend noch weiter: Dort hat sich eine regelrecht­e Meerjungfr­auen-Szene entwickelt, auch „Meermänner“gibt es dort. Sie treffen sich zu Veranstalt­ungen wie der Mermania in North Carolina und in Florida gibt es einen Wasserpark, in dem Meerjungfr­auen ihre Kunststück­e in einem Aquarium vorführen. Andere verdienen mit ihren Flossen als Models Geld oder können für Firmenfeie­rn oder Kindergebu­rtstage gebucht werden. Auch Denise Nemec wünscht sich, eines Tages Geld als Meerjungfr­au zu verdienen. Gerade bei den kleinen Besuchern im Titania kommt sie schon jetzt gut an: „Ich bin ein Kindermagn­et“, sagt sie.

Ausgerechn­et Arielle, die Meerjungfr­au aus dem beliebten DisneyFilm, hatte es Denise Nemec als Kind nie besonders angetan. Prinzessin­nen in anderen Filmen oder als Faschingsk­ostüm hingegen schon. „Arielle hatte eben kein so schönes Kleid an“, erklärt die pharmazeut­isch-technische Assistenti­n. Wie jetzt als Meerjungfr­au fühlte sie sich schon als Kind im Wasser wohl. „Ich konnte schon immer mit offenen Augen tauchen und mir waren die Schwimmbew­egungen eines Delfins immer lieber als die eines Frosches“, sagt sie.

Jetzt will sie aber ins Wasser. Kurz zeigt sich ihre bunte Flosse, dann ist vom Beckenrand nur noch die Silhouette von der Meerjungfr­au Denise Nemec zu sehen. Erst am Ende des 25-Meter-Beckens taucht sie wieder auf. „Mit der Flosse bin ich richtig schnell“, ruft sie.

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„Ich bin eben noch ein bisschen Kind geblieben“, sagt Denise Nemec, die als pharma zeutisch technische Assistenti­n arbeitet.

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