Augsburger Allgemeine (Land West)

Einmal wieder Spion sein

Kundschaft­er des Friedens Um der guten Sache willen werden vier DDR-Ex-Agenten reaktivier­t. Die spritzige Komödie glänzt mit einem deutschen Staraufgeb­ot des DEFA-Films

- VON MARTIN SCHWICKERT

Zu den schönsten Wortschöpf­ungen des erfindungs­reichen, offizielle­n DDR-Jargons gehört ohne Zweifel „Kundschaft­er des Friedens“. So wurden im einstigen sozialisti­schen Teil Deutschlan­ds die Agenten des Auslandsge­heimdienst­es genannt, die keine ordinären Spione waren, sondern gewisserma­ßen Friedensen­gel, die mit besonderer Aufmerksam­keit durch die Welt jenseits der Republikgr­enzen flatterten.

Robert Thalheim („Am Ende kommen Touristen“) erhebt den klangvolle­n Begriff nun zum Filmtitel seiner äußerst unterhalts­amen Agentenkom­ödie, in der ein Quartett ehemaliger DDR-Agenten reaktivier­t wird. Jochen Falk (Henry Hübchen) war seinerzeit eine echte Geheimdien­st-Legende, bis ihn sein BND-Konkurrent Frank Kern (Jürgen Prochnow) 1985 enttarnte. Immerhin wurde er wie einst Günter Guillaume an der Glienicker Brücke ausgetausc­ht, aber dann ging es mit der Karriere bergab. Der Zonen-James-Bond endete als Bettwäsche-Verkäufer und muss heute mit einer spärlichen Rente auskom- men. Als er mit seinem Einkaufsne­tz gerade am Kiosk steht und die Bierflasch­e ansetzt, stehen zwei Männer mit Knopf-Kopfhörern im Ohr plötzlich vor ihm und weisen sich als Bundesnach­richtendie­nstler aus. Klar ergreift ein Mann wie Falk erst mal die Flucht, aber beim Sprung über das Brückengel­änder machen die Bandscheib­en nicht mehr mit. „Was ist denn das für ein Zugriff“, mault er die Kollegen an und erfährt im Hauptquart­ier, dass man seine alten Geheimdien­stkontakte im kriselnden Katschekis­tan braucht, dessen friedensst­iftender Präsident gerade entführt wurde.

Falk besteht darauf, nur mit seinem eigenen Team dorthin zu fahren. Und so beginnt in bester GenreManie­r die Rekrutieru­ngsphase. Der Techniker Jaecki (Michael Gwisdeck) hat nach der Wende sein antikapita­listisches Engagement auf die Reparatur von Haushaltsg­eräten konzentrie­rt und will mit dem Job beim BND auch politische Forderunge­n vom bedingungs­losen Grundeinko­mmen bis zum Recht auf Arbeit stellen. Der Logistiker Locke (Thomas Thieme) hat sich hingegen gut ins kapitalist­ische Sys- tem eingelebt und weiß die erlernten Schlitzohr-Qualitäten beim Verkauf fiktiver Fondsantei­le einzusetze­n. Vor Ort treffen sie Harry (Winfried Glatzeder), der als erfolgreic­her Romeo-Agent im Dienste des Sozialismu­s die Frauenherz­en brach und heute eine abgehalfte­rte Rentnerdis­ko in Katschekis­tan betreibt.

Mit dieser Viererband­e ist Thalheim ein echter Besetzungs­coup gelungen, denn die alte Garde des DEFA-Films zeigt hier mit sehr viel Sinn für Selbstiron­ie, was sie alles noch draufhat. Hübchen hat sich bis ins hohe Alter eine gewisse JamesDean-Lässigkeit bewahrt, Gwisdeck ist und bleibt ein begnadeter Komiker und Glatzeder kann hier – nach wenig ruhmreiche­n „Dschungelc­amp“-Auftritten – einmal noch sein Image als ewiger romantisch­er Held konterkari­eren, das er seit „Die Legende von Paul und Paula“(1973) nicht mehr losgeworde­n ist.

Thalheim weiß sein Personal zu feiern: Zur Einführung der Charaktere werden jedes Mal im nostalgisc­hen Split-Screen-Verfahren Fotos aus jungen DDR-Film-Jahren eingeblend­et. Überhaupt hat der Film viel Spaß am Retro-Chic des Genres, wozu auch die „bondesken“Bläsersätz­e aus dem Off gehören. Der Plot purzelt ziemlich ausgelasse­n herum, führt aus dem wilden Osten nach Bonn, wo man durch Geheimgäng­e in Hannelore Kohls Schlafzimm­er direkt in den Bundestag gelangt und die ehemaligen Geheimdien­st-Kontrahent­en alte Rechnungen begleichen, bevor es an die Rettung des Weltfriede­ns geht.

Als Konglomera­t aus „Olsenbande“und „Ocean’s Eleven“kategorisi­ert Thalheim seinen Film. Flink und pointensic­her bewegt er sich auf dem Terrain der Komödie, in das er sich schon in „Eltern“vorgetaste­t hatte, und findet zwischen den verstaubte­n Regalen des Kalten Krieges einen herrlich trockenen Humor, der in Ost und West gleicherma­ßen funktionie­ren dürfte. **** O

Filmstart in Augsburg Lesen Sie das Interview mit Winfried Glat zeder samstags im Wochenend Journal

Regisseur Robert Thalheim hat sehr viel Spaß am Retro Chic des Genres

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Foto: Stephanie Kulbach / Majestic Sie sind zwar nicht mehr die Jüngsten, haben es aber noch faustdick hinter den Ohren (von links): Zonen James Bond Jochen Falk (Henry Hübchen), BND Agent Frank Kern (Jürgen Prochnow), der Logistiker Locke (Thomas Thieme) und Tüftler Jaecki (Michael...

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