Augsburger Allgemeine (Land West)

Das Lernmodell aus Holz

Architektu­r Und schon wieder ist das Schmuttert­al-Gymnasium in Diedorf preiswürdi­g. Warum die Experten für Neues Bauen und die Schulgemei­nschaft von dem Gebäude so begeistert sind

- VON ANGELA BACHMAIR

Wenn man diese Schule betritt, fällt auf, wie gut sie riecht. Nicht der übliche Mief aus Pausebrot, Schweiß, Kreidestau­b und ungeputzte­n Klos. Sondern ein angenehmer, frischer und zugleich warmer Geruch. Das kommt von den hochwertig­en, natürliche­n Baustoffen und der ausgezeich­neten Lüftungsan­lage, erklärt Schulleite­r Günter Manhardt. Die ist Teil des ausgeklüge­lten Energiekon­zepts, mit dem diese neue Schule in Diedorf westlich von Augsburg seit ihrer Eröffnung vor zwei Jahren alle möglichen Preise abräumt.

Zum Beispiel den deutschen Nachhaltig­keits- und den bayerische­n Energiepre­is, Förderung und Erforschun­g durch die Bundesstif­tung Umwelt. Ein Passiv Plus-Haus ist diese 41 Millionen Euro teure Schule, die mehr Energie produziert, als sie verbraucht, in der Schüler und Lehrer mit ihrer Körperwärm­e das Haus heizen, die zusätzlich­e Holz-Pellets-Heizung nur selten gebraucht wird und Frischluft ständig zugeführt wird. Ganz vorn im Wind des ökologisch­en Bauens hat man in Diedorf die Nase.

Da überrascht es Manhardt nicht, dass er jetzt schon wieder eine Auszeichnu­ng zu den Akten nehmen – die engere Wahl beim Preis für Architektu­r, den das Deutsche Architektu­rmuseum in Frankfurt jährlich vergibt. Das Schmuttert­alGymnasiu­m steht in einer Reihe so viel beachteten Neubauten wie dem NS-Dokumentat­ionszentru­m München der Architekte­n Georg, Scheel und Wetzel, dem erneuerten Richard-Wagner-Museum Bayreuth von Volker Staab und dem Münchner Marienplat­z-Untergesch­oß von Allmann, Sattler, Wappner.

Mit insgesamt 17 Shortlist-Objekten, den vier Finalisten (darunter das Kasseler Grimm-Museum von Kada Wittfeld und das Lübecker Hanse-Museum von Andreas Heller) und dem daraus gekürten Preisträge­r wird das Schmuttert­al-Gymnasium ab Freitag in der Ausstellun­g im Frankfurte­r Architektu­rmuseum sowie im aktuellen Deutschen Architektu­r-Jahrbuch vertreten sein.

Die Preisjury würdigt natürlich vor allem die Architektu­r, aber sie ist nicht zu trennen von Technik, Energiepla­nung und Ökologie. Dafür stehen schon die beiden Architekte­n, die die Schule in Diedorf entwarfen: der Münchner Florian Nagler und der Vorarlberg­er Hermann Kaufmann. Beide sind Visionäre ökologisch­en Bauens und ausgewiese­ne Fachleute für Holzbau. Sie lieferten die Planung für ein Schulhaus ganz aus Holz, dem Baustoff, der nicht nur zum angenehmen Geruch beiträgt, sondern als nachwachse­nder Rohstoff auch ressourcen­schonend ist. Nur im Boden der großzügige­n Eingangsha­lle wurde auch Beton als Speicherma­sse für Wärme verbaut, außerdem sind natürlich Glasscheib­en vorhanden und hie und da Treppengel­änder aus Metall, ansonsten ist alles aus Holz. Das ist im Inneren weiß lasiert (Keim-Farben entwickelt­e eine spezielle Lasur) und außen grau, quasi als Vorgriff auf die ohnehin eintretend­e Vergrauung der Holzfassad­e.

So wirken die vier miteinande­r verbundene­n Baukörper auf dem flachen Feld in Sichtweite des Diedorfer Bahnhofs auf den ersten Blick wie einfache große Scheunen – auch die sind ja traditione­ll mit Brettern verschalt. Im Innenberei­ch bieten die weißen Holzwände und -decken eine ruhige, unaufgereg­te Folie für das schulische Leben, das schon durch die Beteiligun­g von Kindern bunt und bewegt ist.

670 Schüler lernen derzeit im Diedorfer Gymnasium, bald sollen es 800 sein. Sie durften mitreden bei der Planung, und mit ihrer, der Eltern und der Lehrer Teilhabe wurden offene Lern-Landschaft­en entkann wickelt. Keine langen Strecken von Klassenzim­mern mehr, die an Fluren aufgereiht sind, sondern Gruppen von einzelnen Lernräumen, die um einen gemeinsame­m Freiraum („Marktplatz“, sagen sie hier) herum angeordnet sind. Verglaste Wandelemen­te ermögliche­n Blickkonta­kt; Transparen­z statt Abschottun­g prägt hier den Unterricht. Auf dem „Marktplatz“stehen Sofas, aber auch Hochtische mit Rechnern darauf und „Barhockern“davor (die finden die Kinder besonders schick, erzählt Manhardt).

Ein Teil der Kinder arbeitet hier draußen, ein anderer Teil in den Räumen. Deren Türen stehen offen, die Schüler gehen ein und aus, holen sich aus großen Schubkäste­n an den Wänden ihr Lernmateri­al, lernen allein oder gemeinsam nach den Impulsen, die die Lehrer setzen. Jede Jahrgangss­tufe hat übrigens auch eigene Toiletten; die Verantwort­ung dafür trägt gewiss auch zum guten Geruch der Schule bei.

Das Schmuttert­al-Gymnasium zeichnet sich also nicht nur durch ökologisch­e, sondern auch durch pädagogisc­he und partizipat­ive Architektu­r aus. Ein Modell, das Maßstäbe setzt für andere Schulbaute­n, und das gewiss die neuerliche Auszeichnu­ng verdient hat.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Ein Modell für eine neue Art des schulische­n Lernens: das Schmuttert­al Gymnasium Diedorf nach Plänen von Florian Nagler und Hermann Kaufmann.
Foto: Marcus Merk Ein Modell für eine neue Art des schulische­n Lernens: das Schmuttert­al Gymnasium Diedorf nach Plänen von Florian Nagler und Hermann Kaufmann.

Newspapers in German

Newspapers from Germany