Augsburger Allgemeine (Land West)
Niederlagen gehören für ihn zum Erfolg dazu Die Karriere war ihm nicht in die Wiege gelegt
Wirtschaft Immobilien-Unternehmer Anton Lotter wird heute 80 Jahre alt und ist bekannt als jemand, der keinem Streit aus dem Weg geht. Was ihn wirklich antreibt, ist eine Krankheit, unter der er als Jugendlicher litt
Es war im Jahr 1954, als Anton Lotter als damals 17-Jähriger an Kinderlähmung erkrankte und er sechs Monate im Krankenhaus und der Reha lag. Ein Chefarzt teilte ihm damals eher beiläufig mit, dass er aus seiner Sicht nicht wieder werde laufen können. Lotter beschloss damals abends im Krankenbett, dem Mediziner das Gegenteil zu beweisen. Viele Jahre später erklomm er den Piz Bernina in der Schweiz über den schwierigen Bianco-Grat, fuhr auf Langlaufskiern zweimal beim Engadiner Skimarathon mit und ist bis heute Alpin-Skifahrer. „Ich musste mir immer selber beweisen, dass ich kein Krüppel bin“, sagt Lotter, der am heutigen Donnerstag 80 Jahre alt wird. Er sei im Nachhinein „dankbar“für die Krankheit. „Um erfolgreich zu sein, muss man Niederlagen haben, geschäftlich wie privat.“
Vielleicht war die Krankheit auch eine Triebfeder für die Karriere, die Lotter als Immobilien-Unternehmer hinlegte. Unter seiner Federführung oder Beteiligung entstanden etliche Gebäude, die das Augsburger Stadtbild prägen. Den Bau des Hotelturms begleitete er als Generalbevollmächtigter der Schnitzenbaumer-Unternehmensgruppe, ebenso den Bau des architektonisch markanten Projekts „Schwabylon“in München, das Wohnen, Einkaufen, Hotel und Nachtclub unter einem Dach vereinte. Schnitzenbaumer errichtete auch den Kaiserhof 2000 am Königsplatz (heute Stadtsparkasse) und das Glöggler-Hochhaus (heute Messe-Büro-Center). Später kamen unter Lotters Federführung unter anderem die Sanierung des Fabrikschlosses und des ehemaligen NAK-Gebäudes dazu.
Darauf, wie das über 100 Jahre alte Fabrikschloss mit Büro- und Einzelhandelsnutzung heute dasteht, ist Lotter besonders stolz. „Es ist eines der führenden Industriedenkmäler. So etwas wird auch in 100 Jahren noch stehen.“Freilich gab es Anfang der 90er-Jahre unschöne Begleitmusik zur Sanierung des Fabrikschlosses. Denn als es Ärger mit der Stadt wegen der Baugenehmigung für den angrenzenden Baumarkt gab (zuletzt Obi), wurde das Gebäude an die Regierung von Schwaben vermietet. Sie brachte 1000 Asylbewerber in einem Lager im noch unsanierten Gebäude unter. Es hagelte Kritik. Lotter sagt, er sei nur der Vermieter gewesen. „Auf die Unterbringung hatten wir keinen Einfluss. Aber die Einnahmen haben uns gerettet.“Schließlich erstritt sich Lotter die Baugenehmigung vor Gericht.
Es war nicht das einzige Vorhaben, das mit Nebengeräuschen über die Bühne ging. 2011 machte eine eigenwillige Absperraktion Lotters für Fußgänger mit Stahlseilen beim Forsterpark Schlagzeilen, weil es Ärger mit der Stadt wegen der Grundstücksaufteilung auf dem gab. Zuletzt sorgte der Dauerstreit zwischen Lotter und Immobilienunternehmer Bernhard Spielberger beim Kongressparkhaus für Aufsehen.
Daraus, dass Lotter seine Interessen beharrlich verfolgt, macht er gar keinen Hehl. „Um in dem Metier erfolgreich zu sein, braucht man ein Händchen für Immobilien, aber auch eine gewisse Sturheit.“Und man müsse Gelegenheiten packen, wenn sie sich bieten. Als die Textilindustrie in den 90er Jahren ihren Niedergang nahm, kaufte Lotter das Fabrikschloss und das frühere NAK-Gebäude (heute der Bürokomplex Forsterpark, in dem unter anderem die Volkshochschule sitzt). Beim Glaspalast zog Lotter letztlich den Kürzeren gegen Bauunternehmer Ignaz Walter.
Die Karriere war Lotter, der in kleinbürgerlichen Verhältnissen aufwuchs, nicht in die Wiege gelegt. Als Sohn eines Eiergroßhändlers aus Lechhausen war Lotter 1947 im Gymnasium St. Stephan gelandet, weil seine Mutter wünschte, dass er Pfarrer werden sollte. Es kam anWilly-Brandt-Platz ders. Lotter studierte Betriebswirtschaft in München, dann kreuzte er den Weg von Otto Schnitzenbaumer, damals größter Landmaschinenhändler Deutschlands. Der wollte im Immobilienbereich tätig werden und brauchte jemanden. Lotter machte schnell Karriere, im Alter von 30 Jahren war er Generalbevollmächtigter der Unternehmensgruppe.
Dem Höhenflug im Immobiliengeschäft folgte Mitte der 70er-Jahre die große Krise. Das Unternehmen geriet in Schieflage. Weil der Name Schnitzenbaumer verbrannt war, musste das Namenskürzel eines Schwagers von Schnitzenbaumer herhalten – so entstand der Name HC-Grundstücksgesellschaft. Die Idee dazu hatte Lotter. Das Unternehmen betrieb das Immobiliengeschäft weiter und betreut bis heute einen der größten Augsburger Immobilienbestände in Familienhand.
Zu seinem 80. Geburtstag wird sich Lotter als Geschäftsführer des Unternehmens, das den Schnitzenbaumer-Erben gehört, zurückziehen. Er habe aber noch einige Immobilien-Projekte vor. „Nur zu Hause zu sitzen und meiner Frau auf die Nerven zu gehen, wäre nichts für mich. Wir hatten noch nie so goldene Zeiten für Immobilien wie jetzt.“Mit 50-jähriger Erfahrung in dem Geschäftsbereich sagt er aber auch, dass er den momentanen Boom mit Skepsis betrachte.
Mehr Zeit wird Lotter künftig für seine Sammlung historischer Landkarten des Augsburger Kartenkupferstechers Tobias Conrad Lotter (1717-1777; nicht verwandt mit Lotter) haben. Zehn Landkarten fehlen noch, bis das Lebenswerk zusammengefasst ist. Ansonsten ist er nach eigenem Bekunden vollauf zufrieden. Mit täglich einer Stunde Sport hält er sich nach dem Aufstehen fit. „Von nichts kommt nichts“, sagt er. Von seinen Freunden und Bekannten wünscht sich Lotter statt eines Geburtstagsgeschenks eine Spende an den Förderkreis von St. Stephan.
Und dann ist da noch das Kongressparkhaus, bei dem sich Lotter und sein Rivale Spielberger seit Jahren gegenseitig blockieren. Mit dem Rückzug Lotters als HC-Geschäftsführer wird der Streit nicht beigelegt sein. Die betreffenden Stellplätze gehören nämlich einer Firma, deren Eigentümer Lotter selbst ist.
Stolz auf die Sanierung des Fabrikschlosses