Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie Schulz die Union eint

Hintergrun­d Angela Merkel kann ohne Angst nach München fahren: Neuer Respekt vor der SPD lässt CDU und CSU ihren Zwist über die Flüchtling­sobergrenz­e auf Eis legen

- VON BERNHARD JUNGINGER

CDU und CSU legen ihren Streit um die Flüchtling­s-Obergrenze zwar nicht bei, aber zumindest bis zur Bundestags­wahl am 24. September auf Eis. Und bei der CDU ist die Erleichter­ung riesengroß: „CDU und CSU sind zwei Parteien, aber eine Union. Vielfalt ist auch unsere Stärke“, sagt CDUGeneral­sekretär Peter Tauber. Dabei hatte gerade diese „Vielfalt“manchem in der CDU in den vergangene­n Monaten eine Heidenangs­t gemacht.

CSU-Chef Horst Seehofer galt vielen Christdemo­kraten mit seinen Attacken auf Kanzlerin Angela Merkel als deutlich größeres Risiko für einen Wahlerfolg der Union, als alles, was die SPD aufzubiete­n hatte. Das hat sich geändert, seit klar ist, dass Martin Schulz die Sozialdemo­kraten als Kanzlerkan­didat und Parteichef in den Bundestags­wahlkampf führt – und nicht der selbst in den eigenen Reihen ungeliebte Sigmar Gabriel. Nun hat die Union wieder einen ernst zu nehmenden Gerade die programmat­isch zuletzt weit nach links gerückte CDU muss fürchten, dass Schulz die SPD an frühere Beliebthei­tswerte heranführe­n könnte.

Noch gibt sich etwa CDU-Generalsek­retär Tauber gelassen. Schulz sei ein „weißes Blatt“. Keiner wisse, für welche Positionen er steht. Doch genau darin liegt aus Sicht der Christdemo­kraten ein Risiko. In den kommenden Monaten hat Schulz alle Möglichkei­ten, die Bürger mit frischen Ideen zu überzeugen. Rücksicht auf die Rolle der SPD als Juniorpart­ner in der aktuellen Regierung muss er dabei kaum nehmen. Als Gegner ist Schulz für die Union eine ganz andere Bedrohung als Gabriel. Volksnäher und authentisc­her als Merkel wirkt er – das räumen hinter vorgehalte­ner Hand auch führende Christdemo­kraten ein.

Dass CDU und CSU nun gemeinsam in den Wahlkampfm­odus schalten, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass sie die Sozialdemo­kraten wieder für ernst nehmen. Auf den scheinbar so komfortabl­en Abstand zur SPD in den Umfragewer­ten wollen sich die Strategen nicht verlassen. Statt sich weiter im Obergrenze­nstreit aufzureibe­n, ringen CDU und CSU jetzt gemeinsam um den richtigen Weg, wie sie mit dieser neuen Herausford­erung umgehen sollen.

Aufseiten der CDU ist mancher fast erleichter­t, dass der gemeinsame Respekt vor Schulz nun als Beziehungs-Kit in der zerstritte­nen Union zu wirken beginnt. Das kommende Wochenende hat für die CDU seinen Schrecken verloren. Daran, dass der „Unions-Versöhnung­sgipfel“in München wie geplant stattfinde­t, gibt es keinen Zweifel mehr. Hätte die wegen des Obergrenze­n-Streits zeitweise gefährdete gemeinsame Präsidiums­sitzung zu neuem Zwist geführt oder wäre sie tatsächlic­h abgeblasen worden, dann wäre für die Wähler ein verheerend­es Bild entstanden.

Jetzt macht die Union klar, dass es ihr bei der Wahl im September vor allem darum geht, eine rot-rotgrüne Bundesregi­erung zu verhindern. Und nicht darum, den unionsinte­rnen Hader um Begrifflic­hkeiGegner. ten fortzusetz­en. Im Wahlkampf werden die Gemeinsamk­eiten betont, Sicherheit­spolitik steht im Vordergrun­d. Über die Grundsätze des gemeinsame­n Programms wollen sich die Partner in München einigen. Dass die CSU zwar Angela Merkel als Spitzenkan­didatin unterstütz­t, im Grundsatz aber bei der Forderung nach einer Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtling­en bleibt, nimmt die CDU achselzuck­end hin. Es bleibt ihr auch gar nichts anderes übrig. Dass die bayerische Schwester auch eigene, abweichend­e Forderunge­n stellt, sagt CDU-General Tauber, „war schon letztes Mal so“.

Gleichzeit­ig wissen sie bei der CDU: Seehofer wird in Sachen Obergrenze nicht locker lassen. Eine Regelung, die in der Praxis auf eine Begrenzung der Flüchtling­szahlen hinausläuf­t, fordern auch immer mehr Christdemo­kraten. Sie hoffen, dass sich eine Einigung, die Seehofer wie Merkel das Gesicht wahren lässt, spätestens nach der Wahl findet. Einstweile­n aber atmet die CDU auf.

 ?? Foto: Maurizio Gambarini, dpa ?? Hat das der neue SPD Kanzlerkan­didat möglich gemacht? Jetzt hat CSU Chef Seehofer jedenfalls Kanzlerin Merkels Gefolgscha­ft gelobt. Unser Bild zeigt die beiden Politiker am vergangene­n Sonntag bei ihrem Treffen im Kanzleramt.
Foto: Maurizio Gambarini, dpa Hat das der neue SPD Kanzlerkan­didat möglich gemacht? Jetzt hat CSU Chef Seehofer jedenfalls Kanzlerin Merkels Gefolgscha­ft gelobt. Unser Bild zeigt die beiden Politiker am vergangene­n Sonntag bei ihrem Treffen im Kanzleramt.

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