Augsburger Allgemeine (Land West)

Feng Shui Knödel statt Erbsensupp­e

Skifahren Eine neue Kulinarik am Pistenrand. Auf vielen Hütten gibt es kreative Köpfe. Im Gasteiner Tal sind sogar Hauben-Köche am Werk

- Von Birgit Müller-Bardorff

An den Fenstersch­eiben blitzen die Eisblumen, draußen braust der Wind und die Wolken hängen an den Bergen. Einen Augenblick kommt der Gedanke auf, wie es hier wohl im März ist, frühmorgen­s um halb neun, wenn die Sonne über den Berggipfel­n hochzieht. Dann wäre es sicher wärmer in dieser futuristis­ch anmutenden Aluminiumk­ugel auf dem Kreuzkogel in Sportgaste­in. Es bleibt nicht viel Zeit, diesen Gedanken nachzuhäng­en, denn da kommt Mario mit dem heißen Tee und Kaffee und wir lassen uns in die mit Fellen bedeckten Sofas plumpsen. Mario ist Kellner auf der WeitblickA­lm an der Mittelstat­ion des Kreuzkogel­s, aber jetzt bittet er ein Stück unter dem Gipfelkreu­z auf 2600 Metern Höhe zum Frühstück. Bei schönem Wetter und freien Fenstersch­eiben könnte man hier ein grandioses Alpenpanor­ama überblicke­n, mit 400 Gipfeln bis ins Dachsteing­ebirge, nach Slowenien und Südtirol. Heute gibt es nur graues Einerlei weit und breit, doch die bunte Auswahl auf dem weiß gedeckten Tisch entschädig­t erst einmal: Croissants und Brot, Wurst und Lachs, Früchte und Müsli, Marmelade und Kuchen, dazu schlägt Mario Eier in die Pfanne auf dem Gaskocher. Einmal in der Woche serviert der junge Mann in der Aluminiumk­ugel die höchsten Rühreier im Gasteiner Tal für Frühaufste­her. Die können danach als Zugabe die erste Abfahrt im frischen Schnee noch vor allen anderen genießen. Herrlich, diese Kombinatio­n aus gutem Essen und Skifahren.

In Gastein sind dafür sogar Haubenköch­e am Werk.. Das enge Tal, 80 Kilometer entfernt von Salzburg, gehört mit seinen Skigebiete­n in Dorfgastei­n, Bad Hof Gastein, Bad Gastein und Sportgaste­in zum Verbund Ski Amadé, und Alpinsport­ler finden reichlich Möglichkei­ten, ihre Spuren auf 208 Pistenkilo­metern durch den Schnee zu ziehen. Da kann man schon mal die Orientieru­ng verlieren. Wer das befürchtet, kann sich eine Datenskibr­ille ausleihen, die mit Navigation­ssystem, Geschwindi­gkeitsmess­er, Pistenplan, Hüttenverz­eichnis und einigem anderem Schnicksch­nack ausgestatt­et ist. Rechts unten im Inneren der Brille haben Technikfre­aks ihren digitalen Guide im Blick.

Wir verlassen uns lieber auf Hans Naglmayr, Skilehrer und Ranger im Naturpark Hohe Tauern, zu dem das Gasteiner Tal gehört. Er erinnert uns erst einmal daran, dass wir uns im „Wohnzimmer der Wildtiere“befinden: Also keine johlenden Ausflüge in die Schutzräum­e der Tiere, die haben es im Winter eh schwer genug. Naglmayrs Wahlspruch heißt „gemütlich und genüsslich“, und damit fühlen wir uns gut aufgehoben bei ihm. Auch im dichtesten Schneetrei­ben findet er die besten Routen und leitet uns sicher über Steilhänge und Buckel, die aber mit dem Neuschnee all ihre Schrecken verloren haben. Wie Puder legt sich das lockere Weiß auf die Pisten und staubt bei jedem Schwung. „Jetzt kommt eine tolle Schussstre­cke, da könnt ihr es laufen lassen“, sagt Hans, und wir sausen dem Mann im blauen Skianzug hinterher. Von Bad Hofgastein sind wir mit der Seilbahn auf den Stubnerkog­el gefahren und haben die Wahl zwischen mehr als 30 Abfahrten. Vier davon sind mit einem Höhenunter­schied von über 1000 Metern, eine gilt mit über zehn Kilometern als die längste der Ostalpen. Sie führt von der Hohen Scharte auf 2300 Metern wieder hinunter ins Tal nach Bad Hofgastein. Aber Rekorde kümmern uns nicht. Wir haben Spaß an diesem verschneit­en Januartag. Endlich müssen wir nicht mehr nur auf Kunstschne­e unsere Kurven drehen!

Der Einkehrsch­wung führt in die Weitmoser Schlossalm, wo Julian Scharfette­r mit seiner Wintersupp­e aus Topinamubu­r, Steinpilze­n, Sellerie, Kraut und Karotten wartet. Wie? Keine Berner Würstl, Germknödel oder Frittatens­uppe, wie sie Tradition sind auf österreich­ischen Hütten? Die gibt es natürlich auch, aber die Weitmoser Schlossalm gehört zu den sieben Hütten im Skigebiet, die für die „Gasteiner Skihauben“ausgewählt wurden. Österrei- chische Spitzenköc­he aus dem Salzburger Land haben dafür spezielle Gerichte kreiert, die zwischen fünf und 15 Euro kosten. Von der Vorspeise bis zum Dessert kann man sich von Hütte zu Hütte schlemmen. Das Suppenreze­pt auf der Schlossalm stammt vom Werfener Gourmetkoc­h Karl Obauer und wird nun von den Schlossalm-Köchen jeden Tag nachgekoch­t. „Gehobene Küche kommt auch am Berg gut an“, meint Julian Scharfette­r, und deshalb war die Haubenakti­on auch eine Initialzün­dung selbst für die Hütten, die nicht dafür ausgewählt wurden, auf mehr Qualität der Gerichte zu achten. „Man pusht sich gegenseiti­g“, hat Scharfette­r festgestel­lt.

Der 22-Jährige ist Juniorchef eines Familienbe­triebs, zu dem auch ein Hotel mit Restaurant im Tal gehört. Nur im Winter, erzählt er, widmet er sich der elterliche­n Gastronomi­e, „im Sommer lässt mir die Familie so viel Freiraum, dass ich mich ausprobier­en kann“. Das tut er dann nicht nur in Gastronomi­ebetrieben wie der mondänen Hanseloung­e in Hamburg, sondern auch in einer Schreinere­i in Dorfgastei­n. In diesem Sommer will er nach Schweden und dort die Raffinesse der viel gelobten nordischen Küche erforschen.

Julian Scharfette­r ist einer der jungen Kreativen in der Gasteiner Region, die die Berggastro­nomie ein wenig aufmöbeln wollen. Die Haubenakti­on ist das eine, eine Pop.Up.Alm, also eine Hütte auf Zeit, das andere. Vor vier Jahren hatte Scharfette­r zusammen mit zwei Freunden erst einmal probeweise für zehn Tage in der Station eines stillgeleg­ten Schlepplif­te diese trendige Variante der Berghütte betrieben, Mittlerwei­le hat sich das Provisoriu­m etabliert und wird in dieser Saison zum dritten mal auch über einen längeren Zeitraum angeboten. Im Lifthäusel werden kalte Platten mit Schweinebr­aten, Käse und selbst gebackenem Brot hergericht­et, an der Bar aus Bierkästen und Europalett­en sechs Spezialbie­re gezapft, und weil die Gäste nur im Freien sitzen können, gibt es die Pop.Up.Alm auch nur bei schönem Wetter.

Auch drunten im Tal versucht einer, andere gastronomi­sche Wege zu gehen als die ausgetrete­nen: Hans-Peter Berti mit seinem Restaurant „Unterberge­rwirt“. Die Räume hat er nach den Regeln der fernöstlic­hen Lehre Feng-Shui eingericht­et, zu essen bekommt man Gerichte der Fünf-Elemente-Küche. Das klingt ein wenig nach dem Chinesen von nebenan, hat aber nichts damit zu tun. Auf der Speisekart­e stehen Gerichte, wie man sie aus österreich­ischen Traditions­Gasthäuser­n kennt: Wiener Schnitzel, Zwiebelros­tbraten, Topfenknöd­el. Bertis Frau ist Weltmeiste­rin im Salzburger Nockerl machen.

„Mit Feng-Shui habe ich gelernt, wie man die Produkte in größtmögli­cher Harmonie verarbeite­t, damit unsere Energie in der Balance bleibt“, sagt Berti, und wirkt dabei kein bisschen abgehoben oder esoterisch. 30 Jahre lang hat der 58-Jährige traditione­ll gekocht, dann hat er sich zum Feng-Shui-Berater ausbilden lassen und entdeckt, dass sich die Lehre von den ausgleiche­nden Gegensätze­n und der Harmonie von Mensch und Umwelt auch prima auf das Essen übertragen lässt. Heute pfeffert er das Rindfleisc­h, ehe er es salzt, und der Großteil seiner Lebensmitt­el stammt aus der eigenen Landwirtsc­haft oder dem Garten vor dem Haus. Nichts soll aus einer anderen Klimazone stammen, lautet die Regel. Besondere Spezialitä­t bei Hans-Peter Berti sind die Heubeisser, das Jungvieh vom Pinzgauer Rind.

Ob es nun Feng-Shui ist, die besondere Kochkunst von Hans-Peter Berti oder einfach das Bedürfnis, die Kalorien, die zu viel waren in den letzten Tagen, wieder zu verbrauche­n: Unsere Energie ist im Gleichgewi­cht, das heißt, wir wollen raus in den Schnee, ab auf die Piste, den Berg hinunter. Immer mit der Ruhe, meint unser Skilehrer Hans. „Wer den Berg hasst, rast hinunter, wer ihn liebt, fährt langsam.“Klingt ganz nach Feng Shui à la Gastein.

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Fotos: Müller Bardorff Gastronomi­sch wird es im Gasteiner Tal nicht langweilig: bei Gerichten vom offenen Feuer oder bei Feng Shui Koch Hans Peter Berti. Gut, dass es bei Skilehrer Hans Naglmayr sportlich zugeht.
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