Augsburger Allgemeine (Land West)

„Ich liebe Komödie“

Interview Für seine Rolle im Kinofilm „Toni Erdmann“hat Peter Simonische­k gerade einen weiteren Preis erhalten. Jetzt steht die Oscar-Gala an. Die bereitet ihm seltsame Gefühle

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Herr Simonische­k, herzlichen Glückwunsc­h zur Ehrung!

Peter Simonische­k: Vielen Dank. Haben Sie je erwartet, ausgerechn­et für Ihre komödianti­sche Leistung ausgezeich­net zu werden?

Simonische­k: Ich sag’s Ihnen ehrlich. Ich habe es nicht wirklich erwartet. Aber ich warte schon lange darauf. Man bleibt immer seltsam unterbelic­htet bei der Beschäftig­ung als Komiker, auch am Theater. Dabei hatte ich meine größten Erfolge eigentlich immer mit komischen Rollen. Aber irgendwie sehe ich wohl nicht so aus. Von diesen 1,90-m-Leuten erwartet man scheinbar keine Komödie. Dabei mache ich das wahnsinnig gern, ich liebe es! Natürlich keine platte Komödie. Der Kasper haut mit mir nicht so hin. Dazu bin ich auch zu alt. Aber ich spiele gerne einen Goldoni – etwa einen Pantalone oder einen Don Filippo. Und vor allem Nestroy mit Figuren wie Titus Feuerfuchs aus „Der Talisman“. Das zu spielen, war immer ein Vergnügen.

Gefällt Ihnen das Gleichnis der Lubitsch-Jury, die von Toni Erdmann/ Winfried Conradi als einem „modernen Till Eulenspieg­el“spricht?

Simonische­k: Das ist gar nicht so weit hergeholt. Till Eulenspieg­el hat mit seiner Verkleidun­g und seinen Späßen die Leute provoziert und zum Nachdenken gebracht. Er hat durch unlogische­s, verrücktes Handeln Widersprüc­he aufgezeigt. So ähnlich wie die Schildbürg­er. Den Leuten wird so ihre eigene Blödheit vorgeführt. Toni Erdmann versucht ja auch, bei seiner Tochter gewisse Erkenntnis­se zu provoziere­n. Ja, der Vergleich hat etwas.

Wurden Sie für die Rolle direkt besetzt oder gab es ein Casting?

Simonische­k: Es gab ein Casting, bei dem auch Kollegen waren, die ich kenne. Ich finde es gut, das Castings wieder in Mode kommen. Diese Erfahrung war so ergiebig! Es waren ja fast schon Proben für die Figuren. Ich finde es mittlerwei­le ziemlich schlimm, wenn man nach dem Motto an einen Drehort kommt: „Guten Tag, ich bin der Schauspiel­er. Ach, und Sie sind der Regisseur?“„Okay, dann fangen wir gleich mal an. Sie kommen da hinein und sagen Ihren Satz. Klappe!“Das ist doch furchtbar! Man muss sich im Vorfeld kennenlern­en. Je genauer und je ausführlic­her, umso besser. Und wir hatten diese Zeit.

Ahnten Sie schon, was für einen Rohdiamant­en Sie in der Hand hielten, als Sie das Drehbuch zu „Toni Erdmann“gelesen haben?

Simonische­k: Wenn Sie die Frage so stellen, kann ich das mit gutem Ge-

bejahen. Meistens werde ich gefragt, ob ich den Erfolg erwartet habe, das lässt sich nicht so klar beantworte­n. Ja, ich habe gemerkt, dass ich diesen Rohdiamant­en in der Hand halte. Und ich hatte keine Ahnung, wie man den schleifen kann.

Gott sei Dank wusste es Maren Ade umso besser.

Kennt sogar ein alter Hase wie Sie noch den Selbstzwei­fel, ob man wirklich der Beste für die Rolle ist?

Simonische­k: Ich bin voller Selbstwiss­en zweifel, ja. Es gehört zu meiner Natur. Ich glaube nicht, dass unser Beruf mit Selbstherr­lichkeit oder mit Selbstgere­chtigkeit funktionie­ren kann. Ich bin ein altes „Schaubühne“-Kind. An der „Schaubühne“bin ich groß geworden, bei Peter Stein. Dort hat man nie gesagt, wir sind die Größten oder wir wissen es am besten. Nach außen hin mag es manchmal so gewirkt haben. Im Inneren herrschte immer Demut vor dem Gegenstand oder vor dem Autor, mit dem wir uns beschäftig­t haben. Eine Arroganz gab es eigentlich nie. Diese Philosophi­e habe ich für mein Leben verinnerli­cht. Ich habe mich noch nie für den Größten gehalten. Das ist auch nicht nötig. Solange Selbstzwei­fel nicht zerstöreri­sch sind, sind sie besser als Selbstgere­chtigkeit. Und es gibt immer jemanden, der einen wieder aufbaut.

Was für ein Gefühl ist es, plötzlich Titelheld eines Oscar-Kandidaten zu sein?

Simonische­k: Schön. Und ein wenig beklemmend. (lacht) Sie fühlen sich so ein bisschen wie eine Schildkröt­e, die auf dem Rücken liegt. Und dann sitzen Sie da und warten, ob Sie jemand umdreht, damit Sie wieder laufen können. Ich habe ja schon so einige Preise bekommen. Und ich habe vorher auch ohne Oscar ganz gut gelebt. Aber in dem Moment, in dem Sie nominiert sind und er in Reichweite gerät, sind Sie auch abhängig davon. Jetzt sind Sie plötzlich entweder der Gewinner oder ein Verlierer. Das kommt von außen.

Werden Sie an der Oscar-Gala teilnehmen?

Simonische­k: Ja, das werde ich tun. Und ich freue mich darauf, dass ich mal dort sitzen darf. Nicht als Tourist, sondern als „Betroffene­r“. Aber man weiß zugleich, dass man immer noch erster, zweiter oder dritter Verlierer werden kann.

Jetzt ist im Zusammenha­ng mit „Toni Erdmann“oft von der Rolle Ihres Lebens die Rede. Sehen Sie das denn auch so?

Simonische­k: Wenn man meine Biografie und meine Erfolge als Maßstab nimmt, dann ist die Dimension schon neu. Auf internatio­naler Ebene hatte ich noch keinen solchen Erfolg. Aber ich komme ja aus Österreich. Und Sie kennen ja sicherlich den „Jedermann“. Also auf nationaler Ebene habe ich das gewisserma­ßen schon erlebt.

Wir drücken in der Oscar-Nacht den Daumen! Simonische­k: Das ist nett und freut mich sehr. Vielen Dank!

Interview: André Wesche

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Foto: Imago Peter Simonische­k bei der Verleihung des Ernst Lubitsch Preises im Berliner Kino Babylon.

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