Augsburger Allgemeine (Land West)
Jugendliche starben an Vergiftung
Unglück Nach dem Tod von sechs Teenagern steht nun fest, wie es zu dieser Tragödie kam. Die unterfränkische Stadt Arnstein trauert. Und Rettungskräfte stoßen an ihre Belastungsgrenzen
Würzburg
Warum sechs Jugendliche in Arnstein sterben mussten, steht nun fest: Die Teenager im Alter von 18 und 19 Jahren wurden Opfer einer nur schwer fassbaren Tragödie und starben alle an einer Kohlenmonoxidvergiftung. Dieses Ergebnis der rechtsmedizinischen Untersuchung in Würzburg gaben Staatsanwaltschaft und Polizei am Dienstagnachmittag in einer gemeinsamen Presseerklärung bekannt. Weiterhin unklar ist indes die Ursache für den Austritt des giftigen Gases. Die Ermittlungen darüber führen Spezialisten des Bayerischen Landeskriminalamtes.
Die Jugendlichen waren am Sonntagmittag in einem Gartenhaus bei Arnstein entdeckt worden. Ein besorgter Vater, der Besitzer des Häuschens am Sommerberg, hatte die sechs jungen Menschen leblos aufgefunden und die Rettungsdienste alarmiert, die jedoch nicht mehr helfen konnten. Unter den Toten befanden sich auch eine Tochter und ein Sohn des Gartenhausbesitzers. Nach Informationen unserer Redaktion steht in dem Gartenhaus etwas außerhalb von Arnstein ein Holzofen, der Gebrauchsspuren aufwies. Die Teenager hatten in der Nacht zuvor dort eine Party gefeiert. Ob der Ofen für die Rauchver- giftung verantwortlich war, ist derzeit Gegenstand der intensiven Ermittlungen. Infrage kommen theoretisch auch andere, technische Gegenstände im Raum, die von Spezialisten des LKA untersucht werden. Kohlenmonoxid, das bei unvollständigen Verbrennungen von kohlestoffhaltigen Substanzen wie Kohle, Öl, Gas oder Holz entsteht, gilt als besonders gefährlich, weil es der Mensch mit keinem seiner Sinne wahrnehmen kann. „Es ist ein heimtückisches Gas“, sagt Professor Berthold Jany von der Missio-Klinik in Würzburg.
Derweil ist im 8200-SeelenStädtchen Arnstein im Werntal die Tragödie mache sprachlos, so Mayer. Es sei bei dem Gottesdienst vor allem darum gegangen, den Angehörigen zu zeigen, dass sie mit ihrer Trauer nicht alleine sind.
Die Anteilnahme in Arnstein ist immens. Die Wallfahrtskirche Maria Sondheim am Rande des Städtchens ist mittlerweile zu einem öffentlichen Ort der Trauer und zum Ziel vieler Bürger geworden, die ihr Mitgefühl zum Ausdruck bringen wollen. Im Minutentakt legten am Dienstagnachmittag Menschen Blumen nieder, zündeten Kerzen an und hielten einige Minuten inne. Es sei gut zu sehen, dass dieser Trauerort so angenommen werde, sagten Pfarrvikar Johannes Werst und Diakon Artur Eisenacher.
Im Rathaus von Arnstein vertritt der Zweite Bürgermeister Franz Josef Sauer die erkrankte Bürgermeisterin Anna Stolz. Er versucht, das gewaltige Medieninteresse zu bewältigen. Reporter aus der ganzen Republik sind angereist und stellen ihn vor eine unbekannte Herausforderung. Der Kommunalpolitiker erfüllt die Aufgabe ruhig, souverän, besonnen. Schwieriger fällt ihm der zwischenmenschliche Umgang mit den Angehörigen, von denen er einige schon lange kennt. Was sind die richtigen Worte? Was könnte ihnen jetzt in ihrem Schmerz helfen? Diese Fragen treiben ihn um. „Ich bin selbst Vater von zwei Söhnen im ähnlichen Alter“, sagt Sauer. Vielleicht mache er gerade deshalb intuitiv das Richtige.
Nicht nur die Angehörigen, auch die Retter werden betreut. Denn auch Menschen, deren Beruf es mit sich bringt, Schwerverletzten zu helfen und Todesopfer zu bergen, können im Nachhinein unter dem Erlebten leiden. So beschreibt es Bernd Brönner von der Psychosozialen Notfallversorgung der Feuerwehr (PSNV). Brönner ist einer von vier psychosozialen Feuerwehr-Beratern, die sich seit Sonntag um die Seele ihrer Kollegen kümmern. „Komplette Verdrängung des Erlebten ist nicht gut für die Seele“, sagt er. Sich die Bilder, die sich eingebrannt haben, das Entsetzen von der Seele zu reden, sei besser für betroffene Einsatzkräfte. Unterstützung sei notwendig, damit sich körperliche Symptome nach einem belastenden Einsatz nicht zu einer posttraumatischen Belastungsstörung auswüchsen. Brönner sagt den Leuten auch immer wieder, dass es in Ordnung sei, für sich selbst gut zu sorgen – auch im Angesicht großen Leids anderer.