Augsburger Allgemeine (Land West)
Nebenbuhler über 5000 Kilometer verfolgt
Prozess Eine afghanische Liebesgeschichte endet für den eifersüchtigen Ehemann vor Gericht. Sechs Polizisten schützen den Liebhaber der Frau
Würden Walid F., 30, und seine Lebensgefährtin Yasemin M., 27, (sämtliche Namen geändert) in ihr Heimatland Afghanistan zurückkehren, droht beiden die Todesstrafe. Zumindest dort, wo die Taliban das Sagen haben. „Wir würden gesteinigt oder lebendig begraben“, sagt Walid. Denn er und Yasemin haben die Ehe gebrochen – ein in ihrem Kulturkreis unverzeihliches, schweres Delikt. Dass die beiden Afghanen im Strafjustizzentrum von sechs Polizisten streng bewacht werden, hat allerdings nichts mit den Verhältnissen in dem vom Krieg zerrissenen Land am Hindukusch zu tun.
Beide Zeugen sollen vielmehr vor dem Angeklagten geschützt werden. Es ist Nuri M., 34, der offenbar eifersüchtige Ehemann von Yasemin. Er hat das Paar und vier Kinder – drei stammen von ihm – auf der Flucht von Afghanistan über den Iran, die Türkei und Bulgarien bis nach Deutschland über mehr als 5000 Kilometer verfolgt. Und er hat den Liebhaber seiner Frau angeblich bereits ernsthaft mit dem Tode bedroht.
Es ist ein Alltagsdelikt, das Staatsanwältin Birgit Milzarek dem Angeklagten in diesem Prozess vorwirft. Es geht um „falsche Verdächtigung“. Nuri M. hatte seinen Nebenbuhler im Februar 2016 bei der Polizei-Inspektion Mitte in Augsburg angezeigt und behauptet, dieser sei ein Schleuser. Es wird vermutet, dass er es nur deshalb getan hat, um mithilfe der polizeilichen Ermittlungen die Adresse des Paares herauszufinden, das derzeit an einem geheim gehaltenen Ort in Norddeutschland lebt.
Das Gericht und die übrigen Prozessbeteiligten haben es sichtlich schwer, den Wahrheitsgehalt der völlig unterschiedlichen, von einem Dolmetscher übersetzten Aussagen von Nuri M. und seines Kontrahenten zu beurteilten.
Nuri M. (Verteidiger: Jörg Seubert) bleibt dabei: Walid F. sei ein Schleuser, der in der Türkei 20 000 US-Dollar für Hilfe bei der Flucht seiner Ehefrau und der Kinder nach Deutschland verlangt habe. Der Angeklagte sagt, er habe mit Yasemin und den drei Kindern lange Zeit im Iran gelebt und sei vor drei Jahren in die Türkei gezogen. Dort habe er Kontakt zu Schleppern gesucht, sei an Walid F. geraten. Zwei dessen Freunde hätten ihn in einen Keller gelockt und dort als Geisel einen Tag lang festgehalten. „In dieser Zeit ist er mit meiner Familie weg. Er hatte ein Verhältnis mit meiner Frau.“Dann sei er, der Angeklagte, dem Paar stets hinterher gefolgt.
Walid, der von den sechs Polizisten abgeschirmt wird, stellt die Liebesbeziehung zu Yasemin freilich ganz anders dar. Die Frau sei eine weitläufige Verwandte von ihm, sie sei von dem gewalttätigen Angeklagten schlecht behandelt worden. Man habe schon in Afghanistan ein Liebesverhältnis begonnen.
Weil Yasemin verheiratet gewesen sei, habe man keine Zukunft in der Heimat mehr gesehen, sei aus Angst geflohen. Er sei Vater des vierten, dann in der Türkei geborenen Kindes. Dort habe er auch bei einem Mullah Yasemin nach muslimischen Ritus geheiratet. Auf der weiteren Flucht in Bulgarien habe der Angeklagte die Spur aufgenommen und für 5000 Euro einen Killer auf ihn angesetzt, um ihn töten zu lassen. Und später, in einem Hotel in Sofia, habe Nuri M. versucht, seine Frau zu erstechen, was vereitelt worden sei. Nebenbuhler Walid F. will dann unter einer anderen Identität mit der Frau und den Kindern auf dem Luftweg via Malta und Rom nach Frankfurt gelangt sein. Ob all das, was der Zeuge berichtet, auch den Tatsachen entspricht, ist freilich schwer zu beurteilen.
Der Angeklagte sagt immer wieder: „Ich wollte doch nur meine Frau und meine Kinder wiedersehen.“