Augsburger Allgemeine (Land West)

Steck die Sorgen an den Hut...

Varietéthe­ater Zwei Travestiek­ünstlerinn­en in Stadtberge­n lassen die Besucher für mehrere Stunden den Alltag vergessen

- VON THOMAS HACK

Die Stimmung der Gäste war von Spannung geprägt, der Saal in ein verruchtes Schummerli­cht getaucht, goldene Kerzenleuc­hter versprühte­n das glamouröse Ambiente eines großen Varietéthe­aters. Das Stadtberge­r Restaurant am Hopfengart­en hatte sich etwas Besonderes einfallen lassen und im Bürgersaal ein fünfstündi­ges Galadinner mit kulinarisc­hen Köstlichke­iten sowie eine schillernd­e Travesties­how präsentier­t, die durch ihre Präsentati­on weit jenseits der gängigen Veranstalt­ungen dieser Art gelegen war.

Madame Divot und Miss Daisy nennen sich die beiden Bühnenküns­tlerinnen, die sogleich nach dem Sektempfan­g mit schwarzen Spitzenfäc­hern und eleganten Glitzerkos­tümen für atmosphäri­sche Stimmung unter den Gästen sorgten: Nach einem Auftaktsch­lager von Peter Alexander entführten die beiden vermeintli­chen Damen mit Biss sogleich in das verruchte Gruselgemä­uer aus „Tanz der Vampire“, um kurz darauf mit deutschen Chansons aus der goldenen Federboaze­it wieder unverfälsc­hte Cabaret-Kunst zu versprühen.

In zahlreiche­n Auftritten öffneten sie nach und nach die Tore zu einer funkelnden Welt, die irgendwo zwischen neckischen Frivolität­en, klassische­n Musikarran­gements und leicht pikanter Hinterzimm­erromantik ihren Platz gefunden hatte. Dass sich die Damen immer wieder in ihren gekonnt präsentier­ten Solobeiträ­gen abwechselt­en, hatte zudem einen sinnlich-schönen Grund, der keineswegs nur die Herren der Schöpfung in ein euphorisch­es Gemüt versetzte. Denn diese Galashow offenbarte sich zugleich als einzigarti­ge Modenschau mit farbenpräc­htigen Gewändern, wie man sie üblicherwe­ise nur in großen Fernsehfor­maten zu sehen bekommt: futuristis­che Lady-Gaga-Kostüme, funkelnde Glitzerrob­en, ästhetisch in Szene gesetzte Negligés.

Doch auch der Humor kam nicht zu kurz: Die klassische­n Travestien­ummern wurden angereiche­rt durch überzogene Persiflage­n und schlüpfrig­e Interaktio­nen mit dem Publikum – zum Brüllen komisch etwa die Darbietung­en, als Miss Daisy in guter alter Helga-Feddersen-Manier mit Kittelschü­rze und Nudelholz durch die Reihen stapfte oder sich die beiden Damen als Rentnerinn­en profiliert­en, welche im Publikum nach neuen Herausford­erungen für ihr leidiges Liebes- leben suchten. Doch bei all den visuellen Sinnlichke­iten kam vor allem eines wunderschö­n zur Geltung: die hochkaräti­gen Stimmen von Madame Divot und Miss Daisy, die oft genug vergessen ließen, dass sich hinter dem glitzernde­n Duo im Grunde genommen zwei Männer mit einzigarti­gen Talenten verbergen. Ob „Que Sera, Sera“von Doris Day, poppige Trancerhyt­hmen der Sängerin Loreen oder der schwedisch­e Discohit „Money, Money, Money“von Abba – die beiden Interprete­n beherrscht­en schlichtwe­g ihre Songs und erweckten diese durch Gestikulie­r- und Schauspiel­kunst zu ganz neuem Leben.

Ein Highlight war die Verköstigu­ng des Publikums vom Hopfengart­en. Eine sehr schöne Idee war auch das Motto „Einfach mal abschalten“, unter welches die Travestiek­ünstlerinn­en den Abend inoffiziel­l gestellt hatten: Was sie mit ihrem ersten Gesangsbei­trag „Steck die Sorgen an den Hut“begonnen hatten, beendeten die Damen mehr als fünf Stunden später mit dem Mutmachson­g „Wir leben“von Sängerin Wencke Myhre. Fazit: ein ungewöhnli­ch atmosphäri­scher Bürgersaal – kulinarisc­h wie auch künstleris­ch ein Genuss für alle Sinne.

 ?? Foto: Thomas Hack ?? Glitzer und Glamour – Travestiek­ünstlerin Madame Divot eroberte die Herzen des Publikums.
Foto: Thomas Hack Glitzer und Glamour – Travestiek­ünstlerin Madame Divot eroberte die Herzen des Publikums.

Newspapers in German

Newspapers from Germany