Augsburger Allgemeine (Land West)
„Jung, frech, weiblich“
Porträt Natascha Kohnen, die mögliche neue Vorsitzende der Bayern-SPD, hat sich Respekt verschafft – allerdings mehr beim politischen Gegner als in der eigenen Partei
Natascha Kohnen und die grantigen Männer in der CSU. Unter diesem Titel ließe sich ein Fortsetzungsroman schreiben. Da gibt es nicht nur Kohnens berühmt gewordene Wutrede, mit der sie CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer und seine Mitstreiter in der Flüchtlingspolitik nach allen Regeln der Kunst abkanzelte. Da gibt es auch regelmäßig höchst amüsante Wortgefechte mit dem früheren CSU-Chef Erwin Huber, der sich als Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses erkennbar freut, mit Argumenten und pointierter Rede herausgefordert zu werden. Und da gibt es immer wieder mal die Situation im Plenum, dass Horst Seehofer sein Handy zur Seite legt, um Kohnen zuzuhören. Sein Mienenspiel signalisiert Respekt – vor allem, wenn Kohnen über ihr Spezialgebiet, die Energiepolitik spricht.
Als Abgeordnete hat sich die 49-jährige SPD-Politikerin, die 2008 erstmals in den Landtag gewählt wurde, Anerkennung erarbeitet – in der Landtagsfraktion, aber auch beim politischen Gegner. Sie gilt als kompetent, sachorientiert und als durchaus streitbar. Nicht ganz so glatt lief es dagegen in ihrem anderen Job. Seit Juli 2009 ist Kohnen Generalsekretärin der BayernSPD. Da war für die politische Quereinsteigerin, die erst seit 2001 SPD-Mitglied ist, kein Blumentopf zu gewinnen. Die knapp acht Jahre, die seither vergangen sind, waren nicht die besten für die bayerische Sozialdemokratie.
Kohnen stand treu und solidarisch zu ihrem Vorsitzen- den Florian Pronold, der sie gestern als seine Nachfolgerin vorgeschlagen hat. Ihr erklärtes gemeinsames Ziel, die Bayern-SPD wieder nach vorne zu bringen, konnte nicht wirklich erreicht werden. Und schon jetzt fragen einige in der Partei, ob mit ihr an der Spitze ein echter Neuanfang möglich ist. Hinzu kommt, dass die Biologin, die zuletzt als selbstständige Lektorin gearbeitet hat und mit ihren beiden Kindern in Neubiberg bei München lebt, für viele Genossen zu wenig Stallgeruch hat. Zu viel Bildungsbürgertum, zu wenig Arbeiterklasse, heißt es da. Und ein klein wenig Neid kam auch noch dazu, spätestens als Kohnen 2015 in den SPD-Bundesvorstand aufstieg. Jetzt also soll noch mehr aus ihr werden. Das vielleicht spannendste Kapitel in dem Fortsetzungsroman über Kohnen und die CSU-Männer ist noch nicht geschrieben. Es betrifft den CSU-Politiker Markus Söder, der 2018 unbedingt als Spitzenkandidat für die Landtagswahl antreten will. Sollte der ehrgeizige Finanzminister sich durchsetzen und seine Rivalin Kohnen heißen, kennen sie in der SPD schon die Marschroute für den Wahlkampf. Das Motto: „Die Schöne und das Biest.“
Bei der politischen Konkurrenz zeigt man sich überrascht. Erwin Huber sagt: „Diesen klaren, ja fast verwegenen Schritt hätte ich der bayerischen SPD gar nicht zugetraut. Jung, frech, weiblich, das hat mittelfristig Potenzial, wenn Kohnen die zerstrittene Partei zusammenführen kann.“Uli Bachmeier