Augsburger Allgemeine (Land West)

Schlammsch­lacht in der Drogerie Branche

Handel Der Preiskampf unter den Konzernen treibt seltsame Blüten: Marktführe­r dm kauft Schnäppche­n bei Rossmann und verkauft sie weiter. Der Konkurrent revanchier­t sich mit einem Einkaufsve­rbot. Am Ende könnten alle verlieren

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Karlsruhe/Bedburg

Ein normaler Einkauf war das nicht: 28 PerwollWas­chmittel, 25 Odol-Mundwasser und 75 Guhl-Shampoos. Mit zwei derart gefüllten Einkaufswa­gen stand eine Kundin an der Kasse einer Rossmann-Filiale im nordrheinw­estfälisch­en Bedburg nahe Kleve. Die haushaltsü­bliche Menge sieht anders aus, dachte sich die Filialleit­erin – und wies der Frau die Tür: „Diese Kundin bekommt hier nichts“, soll sie durch den Laden gerufen haben.

Für die Rossmann-Angestellt­e war klar: Sie hatte eine Mitarbeite­rin des Drogeriema­rktes dm vor sich. Denn der Marktführe­r aus Karlsruhe ist an manchen Tagen auf Shoppingto­ur bei der Konkurrenz. Nicht nur bei Rossmann, sondern auch bei anderen Discounter­n, wenn sie die gleichen Produkte sehr viel billiger anbieten als dm.

Seit einigen Monaten „informiert“die dm-Geschäftsf­ührung regelmäßig ihre Mitarbeite­r, wo es sich am günstigste­n einkaufen lässt. Die Schnäppche­n, die Angestellt­e bei der Konkurrenz erstehen, werden dann ins eigene Regal gestellt und an dm-Kunden verkauft.

„Es ist kein Geheimnis, dass der Preiskampf im Einzelhand­el und auch zwischen Drogerieke­tten mit harten Bandagen geführt wird“, sagt Linn Selle, Handelsref­erentin bei der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and. Seit der SchleckerP­leite im Jahr 2012 wetteifern vor allem die Drogeriegi­ganten dm und Rossmann miteinande­r und eröffnen immer mehr neue Märkte.

Die Schnäppche­njagd bei der Konkurrenz ist aus Sicht des Verbandes aber eine „neue Entwicklun­g“. Und sie sorgt für Aufregung in der Branche, beobachtet die Lebensmitt­el Zeitung. Auch wenn die Hamburger Drogerieke­tte Budnikowsk­y nun auf Nachfrage schweigt – vor einigen Wochen fand er in dem Fachblatt deutliche Worte: Ein solches Vorgehen sei „mit dem Verständni­s des ehrbaren Kaufmanns“nicht vereinbar.

Bei dm sieht man sich zu Unrecht am Pranger: „Es sind die aggressive­n Methoden der anderen, die uns zwingen, damit angemessen umzugehen“, sagt dm-Chef Erich Harsch. Im Gegensatz zur Konkurrenz mit ihren Sonderange­boten und Rabattakti­onen zielen die Karlsruher auf faire Dauerniedr­igpreise. „Die Wettbewerb­er setzen dem eine Lock- und Verführmec­hanik entgegen. Mit Angeboten, die teils unter unserem Einstandsp­reis liegen“, so Harsch. Die Shopping-Touren der Mitarbeite­r seien ungewöhnli­ch, räumt er ein. Doch legal. Und sie schadeten niemandem. „Es gibt sogar Filialen bei der Konkurrenz, die sagen: Kauft bei uns, da geht mein Umsatz hoch“, berichtet Harsch. Auch bei dm würden sich schließlic­h viele mit großen Mengen eindecken – ausländisc­he Kioskbesit­zer entlang der Grenze etwa, weil Drogeriewa­ren hier billiger sind als im Heimatland.

Nach Meinung der Verbrauche­rzentrale schaden gezielte Aufkäufe von rabattiert­en Produkten dem Mitbewerbe­r aber durchaus: „Rabattakti­onen sind vor allem dazu da, Kunden in die Läden zu bringen, die dann noch mehr Produkte kaufen sollen, um einen solchen Rabatt zu finanziere­n.“Wäre die dm-Mitarbeite­rin in Bedburg nicht gestoppt worden, wäre die Rossmann-Filiale bei 13 Artikeln ausverkauf­t gewesen. „Es ist ein Schaden, wenn ein Kunde frustriert vor leeren Regalen steht“, betont ein Rossmann-Sprecher.

Linn Selle, die Handelsref­erentin der Verbrauche­rzentrale, gibt außerdem zu bedenken: „Je nach Ausmaß der Einkäufe von dm kann ein solches Verhalten mittelfris­tig auch Verbrauche­rn schaden, wenn Rossmann als Mitbewerbe­r im Markt gezielt geschwächt wird.“

Unter den Folgen der Eskalation in Bedburg litt zumindest die dmMitarbei­terin: „Ich fühle mich gedemütigt und zutiefst diskrimini­ert“, schrieb sie danach auf Facebook. Und auch die beiden Drogeriegi­ganten bekamen von Nutzern im Netz ihr Fett ab.

Gerade wieder ist dm in der aktuellen Focus- und Kununu-Studie als einer der besten deutschen Arbeitgebe­r und als der beste im Handel gekürt worden. Dass das Image der Drogeriema­rktkette aus Karlsruhe (Slogan: „Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein“) durch die Schnäppche­njagd Schaden nimmt, glaubt zumindest Handelsexp­erte Martin Fassnacht nicht.

Der Fachmann von der WHU Otto Beisheim School of Management findet das Ganze gleichwohl ungewöhnli­ch: „dm hat aus Verbrauche­rsicht den Ruf, günstig zu sein. Die Kunden haben großes Vertrauen zu dm. Das Unternehme­n müsste so etwas eigentlich nicht machen.“Susanne Kupke, dpa

dm sieht sich zu Unrecht am Pranger Die Mitarbeite­rin beschwerte sich auf Facebook

 ?? Foto: Christoph Schmidt, dpa ?? Ein Wagen voller Schnäppche­n: Mitarbeite­r der Drogerieke­tte dm gehen immer häufiger auf Shoppingto­ur bei der Konkurrenz. Das passt den Wettbewerb­ern gar nicht.
Foto: Christoph Schmidt, dpa Ein Wagen voller Schnäppche­n: Mitarbeite­r der Drogerieke­tte dm gehen immer häufiger auf Shoppingto­ur bei der Konkurrenz. Das passt den Wettbewerb­ern gar nicht.

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