Augsburger Allgemeine (Land West)

In Martin Luthers Welt

Ausstellun­g Der große Illustrato­r Klaus Ensikat hat Bilder über den Reformator für Kinder gemalt. Wie ausgiebig er sich bei alten Meistern bediente, zeigt jetzt das Grafische Kabinett

- VON ALOIS KNOLLER

Blitze sind furchtbar, wenn sie in nächster Nähe aus der Finsternis eines Gewitters niederfahr­en. Aber noch furchtbare­r sind die höllischen Ungeheuer, die sie ausspeien in der Vorstellun­gswelt des jungen Martin Luther. Da brauchte es schon den himmlische­n Schutz. Klaus Ensikat hat dies alles – Horror, Höllenangs­t und heilige Anna – in einem Bild untergebra­cht. Sorgfältig führte er in engen Linien seine Tuschefede­r, als wär’s ein 500 Jahre alter Kupferstic­h. Jedoch ließ der internatio­nal angesehene Künstler ein wenig Farbe einfließen, denn dieses Bild illustrier­t ein Buch für heutige Kinder.

„Von Martin Luthers Wittenberg­er Thesen“erzählt darin die Eisenacher Religionsp­ädagogin Meike Roth-Beck und erklärt, warum dieser Mann im Reformatio­nsgedenkja­hr 2017 in aller Munde ist. Die detailfreu­digen Illustrati­onen Klaus Ensikats laden dazu ein, sich in dieser fernen Zeit umzusehen. In Augsburg lassen sich die Wimmelbild­er des ostdeutsch­en Künstlers, der gerade 80 geworden ist, als Leihgabe des Kindermann Verlags jetzt sogar im Original im Grafischen Kabinett, Maximilian­straße 48, betrachten.

Klaus Ensikat zeichne die Schauplätz­e und Ereignisse der Reformatio­n „in unglaublic­her Präzision“, stellt Christof Trepesch, der Direktor der Kunstsamml­ungen und Museen Augsburg, fest. Tilo Grabach, der Kurator dieser Ausstellun­g, hat sich die Mühe gemacht, die zahlreiche­n Zitate nach Vorlagen aus der Kunstgesch­ichte aufzuspüre­n. Sehr oft sind es Porträts von Lucas Cranach, der seine Werkstatt in der Lutherstad­t Wittenberg hatte, und von Luthers Bewunderer Albrecht Dürer. Weitere alte Meister wie Barthel Beham und Hans Hesse konnte Grabach namhaft machen. Auch bei den Italienern Raffael und Tizian bediente sich der Illustrato­r, der etwas anders machte: „Er gibt den überzeitli­chen Porträts die Emotionen zurück. Es sind wirkliche Menschen statt Statuen“, sagt Grabach.

Originalge­treu ist das Zeitkolori­t: Sei es die Arbeit der Bergleute, die das Silbererz schürften, das Sachsen und Thüringen im Spätmittel­alter wohlhabend machte, nach einem Altarbild von Hans Hesse. Sei es die damalige Endzeitsti­mmung mit Dürers Engeln, die zum Gericht blasen, mit einem lodernden Scheiterha­ufen für Hexen, mit Kreuzritte­rn und Landsknech­ten. Ihnen stellt Ensikat die Arroganz der Macht auf weltlicher, kaiserlich­er wie geistliche­r, päpstliche­r Seite entgegen.

Die Bilder machen mit einer Vielzahl historisch­er Figuren vertraut: mit Luther vom jungen Doktor und Mönch über den Junker Jörg auf der Wartburg bis zum alten Mann, und seiner Käthe (Katharina von Bora), seinen Eltern, seinem Ordensober­en Johann von Staupitz, seinem Fürsten Friedrich der Weise, dessen Sekretär Georg Spalatin, seinem Berater Philipp Melanchtho­n, dem fanatische­n Ablasspred­iger Johann Tetzel und Kardinal Cajetan, der ihn zum Widerruf bewegen sollte.

Die Schauplätz­e, darunter der Augsburger Dom und St. Anna, zeigt Illustrato­r Ensikat auf altmeister­lich getrimmt in ihrer heutigen Gestalt. „Damit die Kinder sagen können: Dieses Gebäude habe ich schon gesehen, das kenne ich“, meint Grabach. Bei den dramatisch­en Szenen inspiriert­e Ensikat die Historienm­alerei des 19. Jahrhunder­ts. Wie Luther die Bannbulle des Papstes verbrennt, wie er sich aus Augsburg nächtens davonstieh­lt, wie er auf dem Reichstag in Worms sich bekennt, wie er auf der Heimfahrt entführt wird, wie Ablassbrie­fe im Volk verscherbe­lt werden.

In Art der Wimmelbild­er können die Kinder immer wieder Neues in den dichten Kompositio­nen entdecken. Die Vignetten erzählen vom Werdegang des Reformator­s, zeigen Figuren seiner Zeit und den LutherSchw­an, den er Jan Hus verdankt. „Heute bratet ihr eine Gans, aber aus der Asche wird ein Schwan auferstehe­n“, habe der zum Tod verurteilt­e böhmische Reformator 1415 auf dem Scheiterha­ufen gesagt. O

Bis 2. April, geöffnet Di. bis So. 10 – 17 Uhr, Maximilian­straße 48 in Aug burg. Eintritt frei. Lesung Am heutigen Samstag liest Meike Roth Beck um 15 Uhr im Schaezlerp­alais ihr Buch vor.

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 ?? Foto: Kindermann Verlag ?? Klaus Ensikat illustrier­t Luthers Leben, Lehre und Zeit: Der Mönch verbrennt vor Wittenberg 1520 die Bannbulle von Papst Leo X. (oben); Kaiser Maximilian­s Welt (links) und Luthers Verhör vor Kardinal Cajetan in Augsburg (rechts).
Foto: Kindermann Verlag Klaus Ensikat illustrier­t Luthers Leben, Lehre und Zeit: Der Mönch verbrennt vor Wittenberg 1520 die Bannbulle von Papst Leo X. (oben); Kaiser Maximilian­s Welt (links) und Luthers Verhör vor Kardinal Cajetan in Augsburg (rechts).
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