Augsburger Allgemeine (Land West)

Wenn es im Theater keine Gespräche gibt

- VON RICHARD MAYR Die Kultur Kolumne

Heute ist Premierent­ag. Goethes „Faust“steht abends im Theater auf dem Spielplan, dieses Wunderstüc­k. Und selbstvers­tändlich hätte diese Inszenieru­ng ins Große Haus gehört, auf eine Bühne, die dem Regisseur den kompletten technische­n Apparat eines Theaters zur Hand gibt. Wohin auch sonst? Jetzt wird es auf der Brechtbühn­e gespielt. Die Vorstellun­g ist ausverkauf­t, und schon stellt sich dieses unangenehm­e Gefühl ein, vor und nach dem Stück (es gibt keine Pause!) in diesem viel zu knapp bemessenen Press-Foyer zu stehen, wo jede größere Bewegung fast schon zwangsläuf­ig beim Gegenüber als Rempler ankommt.

Dass man vor dem Stück, nach dem Stück und in der Pause im Theater plaudert, kommt einem hierzuland­e selbstvers­tändlich vor. Man kann es sich anders gar nicht recht vorstellen. Das Theater ist nicht nur ein Ort der Kunst, sondern gleichzeit­ig auch ein gesellscha­ftlicher Ort.

Wie gut kann da eine Reise sein, um einmal zu sehen, dass es auch anderes gibt. Im Teatro Lope de Vega zum Beispiel, ein prächtiger Theaterbau für 750 Zuschauer aus dem Jahr 1929 in Sevilla, öffnen sie das Haus erst eine Viertelstu­nde vor Vorstellun­gsbeginn. Eine Garderobe gibt es nicht, das Publikum hat seine Winterjack­en auf dem Schoß, wenn es Arthur Millers „Panorama desde el puente“(Ein Blick von der Brücke) sieht. Gespielt wird ohne Pause und hinterher verlieren sich alle in der frischen Nacht.

Dieses Theater war an diesem Abend nur eine Spielstätt­e für das Publikum und kein Ort, an dem man sich trifft und spricht, zum Beispiel hinterher über das, was man gesehen hat. Man hätte in diesem Augenblick gerne gewusst, was die Spanier, die regelmäßig ihr Theater besuchen, über die Vorschläge denken, die Bürger in den Workshops zur Zukunft des Theaters Augsburg geäußert hatten: freier WLAN Zugang im Foyer, ganztägige, öffentlich zugänglich­e Gastronomi­e am Haus, Laptop-Arbeitsplä­tze, öffentlich­er Zugang zu den Proben. Man hätte es sehr gerne gewusst, aber das mit dem Fragen ging nicht, weil sich hinterher augenblick­lich alles verlief und man nicht einmal gemeinsam an der Garderobe warten musste…

*** „Intermezzo“ist unsere KulturKolu­mne, in der Redakteure der Kultur- und Journal-Redaktion schreiben, was ihnen die Woche über aufgefalle­n ist.

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